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Taubstummenanstalt Salzburg: 109 gehörlose Betroffene entschädigt

In ganz Österreich wurden gehörlose Kinder jahrzehntelang in sogenannten „Taubstummenanstalten“ gequält, gefoltert und missbraucht. Nun werden die Vorfälle in Salzburg rechtlich, finanziell und wissenschaftlich behandelt. Wir haben alle Neuigkeiten zusammengefasst.

 

*Alternativlink zum Video: YouTube

 

2023 hat die breite Öffentlichkeit etwas erfahren, dass die Gehörlosen-Community schon immer wusste: In ehemaligen Taubstummenanstalten wurden gehörlose Kinder geschlagen, gefoltert und sexuell missbraucht. Konkret gesagt haben 2023 viele Betroffenen der ehemaligen Anstalt in Salzburg eine Entschädigung für die Misshandlungen zwischen 1950 und den 1980er-Jahren verlangt. In Zusammenarbeit mit der Volksanwaltschaft und dem Salzburger Gehörlosenbund haben viele mutige gehörlose Menschen ihre Geschichten erzählt und eine Entschädigung gefordert. Laut dem Land Salzburg haben schon 109 Betroffenen eine Entschädigung bekommen. Insgesamt wurde 1,3 Millionen Euro schon ausbezahlt. Für Menschen, die damals im Internat misshandelt wurden sind, besteht ein Anspruch auf die Heimopferrente. 56 Menschen bekommen nun monatlich die Heimopferrente in Höhe von 421,60 €.

Weiterhin hat das Land Salzburg eine wissenschaftliche Aufarbeitung von der Uni Salzburg beauftragt. Seit 1. November 2023 wird ein eigenes Team unter der Leitung von Birgit Bütow und Sabine Seichter mit dieser Aufarbeitung gefördert. Wir haben dem Team einige Fragen zu dieser Arbeit gestellt. Das Projekt bekommt eine Förderung von 357.976 Euro, die die Arbeit bis Ende September 2026 finanzieren soll. Dann wird der Forschungsbericht präsentiert. Die Ergebnisse sollen so barrierefrei wie möglich zugänglich sein. Deswegen wird der Bericht in Leichter oder Einfacher Sprache präsentiert, und wenn möglich, auch in ÖGS.

Konkret beschäftigt sich das Team mit der erziehungswissenschaftlichen Aufarbeitung von Gewaltvorfällen zwischen 1945 bis 1980. Es geht also nicht nur um den Missbrauch und die Gewaltvorfälle, sondern um die Strukturen und Institutionen, die diese Probleme erlaubt und gefördert haben. Das Team analysiert historische Dokumente, Briefe, Bilder und Filme, und führt auch Interviews und Gruppendiskussionen mit Menschen durch, die diese Zeit selbst erlebt haben. Das Projekt befindet sich in der Erhebungs- und Auswertungsphase. Oft sind wichtige Dokumente unvollständig oder nicht systematisch zugänglich.

Die meisten Betroffene waren tatsächlich im Internat und haben deswegen einen Anspruch auf die Heimopferrente. Für externe Schüler:innen, also Kinder, die die Schule besucht aber zuhause geschlafen haben, gibt es diese systematische Entschädigung vom Staat nicht. Das Team geht aber davon aus, dass diese Kinder auch Gewalt erlebt haben.

2002 wurde die Taubstummenanstalt in Josef-Rehrl-Schule umbenannt. Rehrl war ein ehemaliger Schuldirektor. Er hat in der NS-Zeit viele Kinder gerettet, aber unter seiner Führung wurden viele gehörlose Kinder gequält und misshandelt. Deswegen fordern der Salzburger Gehörlosenbund und die Volksanwaltschaft, dass die Schule umbenannt wird. Das Land Salzburg will aber zuerst die Ergebnisse der wissenschaftlichen Aufarbeitung abwarten.

 

Links:

Informationen zur Heimopferrente und weitere Entschädigungen auf Gebärdenwelt.tv

Volksanwaltschaft – Hilfestellung bei Problemen mit Behörden + Antragsformular

Heimopferrente in Leichter Lesen erklärt

Foto/Video Credits: Eweht / Paris Lodron Universität Salzburg / Parlament / Gebärdenwelt.tv
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