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Meine Aufgabe, Ihre Ansichten zu vertreten: Bundesbehindertenanwältin Christine Steger

Als Bundesbehindertenanwältin setzt sich Christine Steger für Menschen mit Behinderungen gegenüber dem Staat ein. Für sie ist das Definieren von gehörlosen Personen als Sprachminderheit juristisch gesehen ein schwieriges Unternehmen. Im Interview erzählt sie, welche Vor- und Nachteile diese neue Definition im österreichischen Recht haben würde.

 

*Alternativlink zum Video: YouTube

 

[GW.tv]: Also seit 2005 ist ÖGS ja als Sprache in der österreichischen Verfassung anerkannt, vor allem mit den Worten “Das Nähere bestimmen die Gesetze.” Welche Gesetze sind hier gemeint oder gibt es die überhaupt?

[Christine Steger]: Das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich sollten in allen Bereichen, die betroffen sind, die Gesetze das auch abbilden. Aber das ist ja leider nicht der Fall, wie wir ja aus der Praxis wissen. Einerseits haben wir das Thema, dass es Bundeszuständigkeiten gibt. Und dann haben wir wieder Landeszuständigkeiten. Dann haben wir wieder neun unterschiedliche Länder mit sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, auch gesetzlichen Rahmenbedingungen. Das merkt man in dem Zusammenhang einfach stark, dass eigentlich überall dort, wo sich auch Gebärdensprache und Gebärdenkultur abbildet, dort müssten auch die Gesetze sozusagen das Nähere regeln. Aber wir haben halt nur ganz bestimmte Bereiche, wo eben ganz bestimmte Sachen und Leistungen, wie es so schön heißt, geregelt sind. Aber es ist keine allgemeine Regelung.

[GW.tv]: Sie haben heute den Föderalismus als großen Problempunkt angesprochen. Wie schaut es hier aus? Gibt es den Versuch, eine Vereinheitlichung von Leistungen, Rechten und Ähnlichem einzuführen?

[Christine Steger]: Also, es kommt darauf an, wen Sie fragen. Wenn Sie mich fragen, dann bin ich sehr dafür, dass sich das ein wenig vereinheitlicht, weil derzeit wirklich die Postleitzahl den Ausschlag gibt, wie die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen aussieht, wie die Lebensrealität auch von gehörlosen Personen aussieht. Es gibt ganz unterschiedliche Bestimmungen – je nachdem wohin man schaut. Jedes Land hat sein eigenes Gesetz, wo es um die sogenannte “Behindertenhilfe” geht. Ja, ist auch ein tolles Wort. Dort ist geregelt, welche Unterstützungsleistungen zur Teilhabe den Menschen zur Verfügung gestellt werden und in weiterer Folge natürlich, was es überhaupt an Möglichkeiten gibt, wie man sich bewegen kann.

Wenn Sie jetzt aber die Bundesländer fragen, dann kommt es darauf an, welches Bundesland Sie fragen. Die Bundesländer behaupten von sich eigentlich alle: “Na, bei uns ist ja alles gut.” “Na, bei uns ist es gut, also warum sollen wir was ändern?” Sie sehen auch oft die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung nicht. Aber wenn ich mir anschaue, dass es allein schon schwierig ist, z.B. den Wohnsitz zu wechseln, weil ich in einem Bundesland vielleicht einen Leistungsanspruch habe, aber in dem Bundesland, in das ich ziehen möchte, den Leistungsanspruch dann vielleicht nicht habe. Dann ist die Freizügigkeit und die freie Wahl des Wohnsitzes schon nicht gegeben.

[GW.tv]: Heute war ein großes Thema die Möglichkeit, gehörlose Menschen als Sprachminderheit zu verstehen, statt nur über quasi Behindertenhilfe. Welche Vor- oder Nachteile würde es diesbezüglich im österreichischen System geben?

[Christine Steger]: Naja, es kommt immer darauf an. Die Minderheitenrechte sind grundsätzlich geregelt. Aber auch bei den anderen sprachlichen Minderheiten ist es ähnlich wie mit der Gebärdensprache. Diese sind auch nicht als Amtssprachen anerkannt. Da ist dann möglicherweise der Nachteil, dass es dann nur noch eine sprachliche Thematik und eine Minderheiten-Thematik ist und keine Thematik, wo es um allgemeine Menschenrechte zur sozialen Teilhabe von Menschen geht. Also das birgt gewisse Vorteile, wenn man sagt, man versteht sich als kulturelle und sprachliche Minderheit.

Hingegen, dass man sagt, man ist eine Personengruppe, die an der Teilhabe gehindert wird, weil eben nicht vollumfänglich die Barrieren abgebaut werden, weil es zu wenig angemessene Vorkehrungen nach der UN-Behindertenrechtskonvention gibt. Also es ist ein Für und Wider. Aber natürlich nimmt es Österreich mit den Minderheitenrechten jetzt auch anderer sprachlicher Minderheiten nicht so genau. Also das heißt, es ist ja auch Romanes in Österreich keine anerkannte Amtssprache, sodass man sagt, man hat das Recht, in Romanes zu kommunizieren. Und so verhält es sich ja auch mit der österreichischen Gebärdensprache, wo man auch kein Recht darauf hat, in Gebärdensprache, auf den Ämtern umfänglich zu kommunizieren.

Foto/Video Credits: Gebärdenwelt.tv
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