Immer mehr wird versucht, Gebärdensprachavatare einzusetzen — z.B. beim Donauinselfest oder bei den Wiener Linien. Wie werden dieses Avatare eingesetzt, und wie sollte man aus Sicht von gehörlosen Menschen damit umgehen? Sandra Schügerl hat zu diesem Thema geforscht und hat zusammen mit Verena Krausneker Leitfaden für die Verwendung von Avataren formuliert.
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Transkript von dem Interview:
[GW.tv]: Hallo!
[Sandra Schügerl]: Hallo!
[GW.tv]: Heute unterhalten wir uns über Avatare. Da wurde ja einer von den Wiener Linien vorgestellt. Dazu haben wir heute eine Person eingeladen. Kannst du dich kurz vorstellen?
[Schügerl]: Ja, gerne. Ich bin Sandra Schügerl. Ich arbeite als Dolmetscherin und Übersetzerin und bin auch als Lehrerin tätig. Ihr fragt euch jetzt vielleicht, warum gerade ich zum Thema Avatare eingeladen wurde.
In meinem Masterstudium habe ich zum Thema Avatare geforscht. Dabei habe ich mich auf eine Firma konzentriert und mir deren Übersetzungen angesehen. Gemeinsam mit Verena Krausneker setzte ich die Forschung fort und wir erstellten einen Leitfaden. Sie hat meine Forschung gesehen und mich gefragt, ob ich Interesse an einer Zusammenarbeit hätte. Ich stimmte zu und wir forschten gemeinsam an dem Thema weiter.
[GW.tv]: Gut, spannendes Forschungsthema, das ja momentan heiß diskutiert wird. Ich möchte dich jetzt etwas zum kürzlich vorgestellten Avatar der Wiener Linien fragen. Dieser hat zum Ziel, Störungsinformationen von Öffis in Gebärdensprache darzustellen. Dieser befindet sich gerade in der Testphase. Der Avatar heißt Iris. Der ÖGLB steht dem Avatar eher kritisch gegenüber. Wie ist deine Perspektive als Forscherin dazu?
[Schügerl]: Ja, es ist wirklich interessant. Ich habe mir den Avatar der Wiener Linien, also Iris, angesehen. Iris ist ja quasi ein Avatar der neuen Generation. Ich kenne ja auch die alte Generation des Avatars von dieser Firma. In dem Vergleich lassen sich schon Verbesserungen erkennen. Ich dachte also bei den Wiener Linien wird die neue Generation verwendet. Aber nein, es ist genau die gleiche, alte Version.
Es handelt sich somit um genau die Version, die wir damals erforscht haben. Wir forschten 2021 zu dem Thema und das war damals die aktuellste Version. Als wir die damals neue Avatar-Version beforschten, kam auch viel Kritik von gehörlosen Personen. Deshalb war ich auch ein bisschen überrascht. Denn das bedeutet, dass seit 4 Jahren die gleiche Version verwendet wird. Es gibt also keine neue Generation. Ich habe mir schon eine neue, verbesserte Generation mit mehr Feinheiten in der Mimik erwartet. Aber es ist der selbe Avatar wie vor 4 Jahren. Also auch in unserer Forschung hat sich eine kritische Haltung abgezeichnet.
Wir haben in unserer Forschung versucht einen Leitfaden zu erarbeiten. Dazu haben wir Meinungen von gehörlosen Personen zum Avatar der Wiener Linien eingeholt. Sie befürworten den Einsatz zur Übermittlung von kurzen, einfachen Informationen. Nicht geeignet ist der Avatar für tiefgehende Informationen zu Problemen. Das ist besonders bei Störungen kritisch, wenn es um Ausweichstrecken geht. Da sind die Gebärden von Avataren zu neutral, zumal die Ausweichstrecken ganz unterschiedlich aussehen können. Jede U-Bahn-Station ist anders aufgebaut. Die Avatare sind aber neutral. Es stellt sich auch die Frage, ob mit dem Avatar wirklich alle gehörlosen Personen erreicht werden können. Zur Zielgruppe gehören in diesem Fall auch Migrant:innen und gehörlose Personen von jung bis alt. Ob die den Avatar wirklich alle verstehen? Das ist die Frage. Die Gefahr ist auch, dass man bei der Einblendung von Avataren trotz genauen Schauens wichtige Inhalte verpasst. Darum haben wir gesagt, dass es Bilder und Untertitel dazu braucht. Wenn es all diese Zusätze braucht, um den Inhalt verständlich zu machen, stellt sich die Frage: Welchen Sinn hat dann der Avatar?
Ich habe dann Iris gesehen. Es war kein Bild eingefügt, nichts! Es sieht fast aus wie ein Testbild, wie der Avatar vor einem leeren Hintergrund gebärdet. Ich habe mir das angeschaut und auch Grammatik und Stil sind gleich geblieben. Ich finde es wirklich schade, dass keine Verbesserung stattgefunden hat.
[GW.tv]: Wirklich interessant. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Störungen nicht auf einem Bildschirm angezeigt werden. Anstatt die Info in der Straßenbahn einzublenden, muss man sich am Handy mühsam durchschlagen. Das ist natürlich viel anstrengender.
[Schügerl]: Genau, ich habe das auch probiert. Ich habe gesucht und gesucht, wie das funktioniert. Dort steht, man müsse sich die Wien-App am Handy herunterladen. Gut, das habe ich gemacht. Dann muss man zu den Einstellungen. Dort soll man den Gebärdensprach-Avatar anklicken und dort sieht man die Störungsmeldungen. Ich habe das gemacht und dann nach Störungen gesucht. Dann habe ich die tagesaktuellen Störungen angeklickt. Dann wurden mir alle Störungen aufgelistet, bspw. bei der U6, bei den Buslinien, usw. Ich habe dann nochmal draufgeklickt, um den Avatar zu öffnen, aber es wurde mir kein Avatar angezeigt. Nichts!
Ich habe dann überlegt, wo ich diesen finden kann. Gefühlt musste ich eine Ewigkeit lang herum klicken und trotzdem war es am Ende nicht barrierefrei.
[GW.tv]: Das wäre aber das Ziel!
[Schügerl]: Das Handy sollte vibrieren oder mir die Meldung anzeigen. Dann wäre es sofort klar ersichtlich. Aber so? Ich habe überall herum geklickt und es nicht geschafft, es zu finden. Vielleicht gelingt es anderen gehörlosen Personen. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, aber es trotzdem nicht geschafft.
[GW.tv]: Du hast zusammen mit deiner Kollegin Verena Krausneker einen Leitfaden für Avatare verfasst. Dabei ging es um Anforderungen, die Avatare erfüllen müssen. Kannst du uns erzählen, welche Anforderungen das sind?
[Schügerl]: Ich habe es vorher schon erwähnt, welche Vorstellung wir vor vier Jahren hatten. Vier Jahre sind ja im Bereich der Technik sehr viel, besonders wo sich dieser so rasend entwickelt. Also ich meine jetzt generell, nicht unbedingt bei Avataren. Da gab es große Veränderungen. Die Avatare der österreichischen Firmen sind jedoch seit 4 Jahren unverändert geblieben. Das ist der erste Punkt, der nicht verständlich für mich ist. Ein weiterer Punkt ist mehr Fokus auf die Perspektive der Gehörlosen-Community zu legen. Das ist das Ziel. Früher wurde mehr zu technischen Aspekten geforscht, etwa wie die Handform aussehen soll und viel mehr. Aber es ist wichtig, dass die Gehörlosen-Community und ihre Perspektive einbezogen werden. Bis jetzt ist das aber vollkommen unzureichend berücksichtigt worden. In Wahrheit wurde da aber nichts verändert.
Deswegen wollen wir uns diesem Thema voll und ganz widmen. Es geht um die Perspektiven von jung bis alt, also bis zum 85. Lebensjahr. Die jüngsten Personen, die wir befragt haben, waren so ungefähr 18-19 Jahre alt. Aber das kannst du auch einfach auf der Homepage nachschauen. Entweder in Gebärden oder du lädst dir den Text runter und liest ihn. Wir haben Diskussionen zu dem Thema geführt. Die gesammelten Informationen haben wir dann unterschiedlichen Themenbereichen, also Aspekten zugeordnet. Eine Kategorie waren bspw. soziale Aspekte. Da haben wir entsprechend alles zugeordnet. Auch die Barrieren haben wir einzeln aufgelistet. Dann gliederten wir noch in ethische und übersetzerische Aspekte. Also ganz unterschiedlichen Aspekte. Insgesamt etwa 6 oder 7 unterschiedliche Perspektiven. Dann sammelten wir die Barrieren und Probleme, die innerhalb der verschiedenen Kategorien genannt wurden. Uns ist dann aufgefallen, dass auch Ideen und Lösungsvorschläge von gehörlosen Personen genannt wurden. Dann haben wir uns noch die unterschiedlichen Aspekte angeschaut und nach möglichen Lösungen gesucht. Die Empfehlungen kamen auch noch dazu. Besonders die Empfehlungen waren sehr umfangreich. Das wäre natürlich eine große Hilfe für die Firma gewesen, an den Avataren weiterzuarbeiten. Es wurde klargestellt, welche Änderungen notwendig sind, aber es ist nichts passiert. Ich finde das wirklich sehr schade.
[GW.tv]: Interessant, trotzdem kann man es immer noch weiter entwickeln und verbessern. Gibt es irgendwo einen Avatar, der gut eingesetzt wird und all diese Kriterien erfüllt?
[Schügerl]: Das ist schwierig. Es ist wichtig, hier zwei Dinge getrennt voneinander zu betrachten. Zum einen geht es um die Qualität der Avatare. Dabei sind die Gebärden, das Erscheinungsbild, Bewegung und Mimik gemeint. Da gibt es Beispiele, wo die Qualität wirklich sehr gut ist. Ein Beispiel wäre der Avatar in Neuseeland. In Neuseeland gibt es K […] Ich buchstabiere das meist falsch. Kara-Technologies müsste es heißen. Davon bin ich sehr begeistert, die haben eine echt tolle Qualität. Allerdings wurde dieser Avatar von einem hörenden Team erstellt. Es waren zwar gehörlose Mitarbeiter:innen dabei, aber die Unternehmensführung übernahm eine hörende Person. Das bedeutet, dass es die gleiche Situation ist wie in Österreich. Die Entwicklung wurde von einem hörenden Team geleitet und nicht von gehörlosen Personen. Das bedeutet sozusagen, dass die gehörlosen Personen wieder für Hörende arbeiten. Ich wünsche mir hier mehr Projekte oder Unternehmen, die von gehörlosen Personen geführt werden. In Japan gab es etwas für die Deaflympics, was gar nicht so schlecht ist. Der japanische Avatar sieht an sich wirklich nicht schlecht aus. Aber ob das ein hörendes oder gehörloses Team war, weiß ich leider nicht. Da habe ich aber beobachtet, dass es nicht als Übersetzung, sondern eher spielerisch oder als Werbeaktion eingesetzt wurde.
Es ist so ähnlich wie auf der Gallaudet University, da gibt es das Motion Lab. Die Leiterin ist Melissa Malzkuhn. Ich habe sie im Zuge der Erstellung des Leitfadens interviewt. Sie war ein bisschen schockiert über die Situation in Österreich. Hier ist das Ziel, dass Firmen mit den Avataren Geld verdienen. Das ist Übersetzungsbusiness, es geht um das Verkaufen. Das ist das Ziel und das ist wichtiger als die barrierefreie Übersetzung. Darüber war sie entsetzt, denn in Amerika ist die Situation anders. Dort ist der Einsatz von Avataren spielerisch und experimentell mit dem Hintergrund, dass es Spaß machen soll. Eine technische Spielerei, quasi. Einfach mit der Option, dass der Avatar in Zukunft irgendwann ausgereift ist. Aber in den USA ist klar, dass diese Technologie noch nicht ausgereift ist. Ja, so ist es. Dass es Firmen gibt, die alle Anforderungen erfüllen, das glaube ich nicht. In Deutschland gibt es jetzt eine neue Entwicklung, die allerdings auch viel kritisiert wird. Besonders der Avatar in Bayern wird vom GMU wird stark kritisiert. Jetzt ist es aber schon eigentlich zu spät, da der Avatar bereits vielerorts, z.B. in Museen eingesetzt wird. Meines Wissens gibt es keinen Avatar, der unseren Empfehlungen vollständig entspricht.
[GW.tv]: Hm, das ist natürlich nicht einfach. Da geht es theoretisch in der Zielsetzung schon weit auseinander, ob Avatare spielerisch oder übersetzerisch eingesetzt werden. Das ist schwierig. Dadurch ergeben sich automatisch verschiedene Perspektiven.
[Schügerl]: Ja genau. In Amerika ist die Perspektive auch sehr interessant. Avatare werden da nicht als Ersatz angesehen, sondern als Zugewinn. In Österreich dagegen werden sie nicht als Zugewinn wahrgenommen. Das ist sehr interessant. Wir empfinden Avatare als Ersatz. Ich glaube, das kommt daher, dass die Entwicklung schon am Anfang schief gelaufen ist. Also das ist in Österreich einfach schief gelaufen.
Deswegen ist es für mich sehr schade, dass es an der Zusammenarbeit scheitert. Die Technik funktioniert ja einwandfrei. Ja, das ist der Vorteil der jetzigen Zeit. Technik entwickelt sich rasend schnell. Genau, aber dann muss man halt zusammenarbeiten. Also wirklich erstaunlich, wie das von Beginn an so daneben gehen konnte. Wir hatten dann sofort eine Abwehrhaltung. Für gehörlose Personen ist das kein schönes Gefühl, wenn sie nicht miteinbezogen oder gefragt werden. Es gab keinerlei Zusammenarbeit mit dem Gehörlosenbund. Deswegen ist unsere Einstellung so ablehnend. Bis jetzt sehen wir hier keinen Gewinn an den Avataren. In Amerika ist das schon so. Das ist echt interessant und erstaunlich. Besonders interessant waren die Aussagen gehörloser Personen in unserer Forschung. Sie meinte, es gäbe andere Avatare, die toll sind. Zum Beispiel in Südafrika beim Weltkongress, wurden die Ländergebärden von einem Löwen gezeigt. Das lässt sich generell beobachten. Avatare, die nicht Übersetzungen, sondern Unterhaltung oder spielerisch Gebärden zeigen, werden viel positiver wahrgenommen. Wenn es eine Übersetzung ist, ist automatisch eine gewisse Ablehnung dabei.
[GW.tv]: Interessant. Für mich ist besonders interessant, dass sich die Technik so schnell entwickelt. Nicht nur Avatare, sondern auch ganz besonders KI-Lösungen sind gerade überall im Entstehen und Entwickeln. Viele Gehörlose lehnen diese Lösungen ab, und sie sind ja auch sehr teuer. Warum wird da trotzdem weiter entwickelt und geforscht?
[Schügerl]: Also erstens glaube ich, dass die Menschen von Natur aus sehr neugierig sind. Sie finden etwas interessant und wollen es dann immer genauer ergründen, z. B. welche Technik es gibt. Die Bandbreite ist riesig, man muss sich nur Google-Übersetzung oder Entwicklungen im Bereich KI ansehen. Wenn man 10 Jahre zurückdenkt, da waren KI und Google-Übersetzungen unbrauchbar. Jetzt ist es nicht schlecht. Oder z. B. andere Tools, wie ChatGPT. Da kann man einfach einen Text eingeben und ihn ins Französische übersetzen lassen. Und das sogar fehlerfrei.
Wenn man das mit früher vergleicht, wo es keine KI gab – wenn eine KI von vielen Menschen verwendet wird, lernt das System immer weiter und wird besser. Das ist ein Vorteil. Ich sehe das positiv! Bei Avataren von österreichischen Firmen ist auch KI integriert. Auch als ich im Zuge meiner Masterarbeit geforscht habe, war auch KI integriert. Man konnte auch Sätze in das Computerprogramm eingeben. Dafür gibt es ein eigenes Programm. Diese Sätze wurden dann automatisch umgewandelt. Eine gehörlose Person sieht sich das dann an. Ein gutes Beispiel ist das Wort „Bank“. Hier gibt es die Bank in Bezug auf das Geld oder die Bank zum Sitzen. Das versteht die KI nicht. Deswegen muss hier menschlich nachgebessert und richtig zugeordnet werden.
Die Grammatik ist ja schon recht gut vorhanden. Bei der Grammatik wird nur kurz kontrolliert, aber dann ist das auch schon fertig. Das ist echt toll. Fein! Die Qualität ist das Problem. Das ist der erste Punkt. Es stimmt schon, dass es teuer ist. Bei einem einmaligen Auftrag ist es definitiv teuer. In diesem Kontext ist auch sicher der Avatar teurer als eine Übersetzung. Aber langfristig sieht das ganz anders aus. Genau. Kurzfristig gesehen ist es egal, völlig egal. Ich denke schon, dass es für die Zukunft wichtig ist. Vor allem in einer technischen Welt. Auch für gehörlose Personen, dass sie mit den technischen Entwicklungen Schritt halten können. Deswegen muss die Qualität auch wirklich passen.
[GW.tv]: Das wollte ich auch gerade sagen. Wenn die Qualität in Ordnung ist, dann können wir es auch akzeptieren. Dann kann man es unterstützen und es bringt uns voran. Dann können in Zukunft auch Avatare eingesetzt werden. Das ist vollkommen in Ordnung. Aber die Qualität muss passen. Darum sollte man immer zusammenarbeiten, so wie du vorher gesagt hast.
[Schügerl]: Ja genau. Und für mich ist es auch super, wenn die Qualität passt, dann freue ich mich. Wenn es eine Störung gibt, z. B. im Flugverkehr, dann erfährt man das schnell. Das wäre angenehm. Das ist angenehm und barrierefrei. Das bringt dann wirklich einen Gewinn.
[GW.tv]: Stimmt, das ist ein Gewinn.
[Schügerl]: So sollte das sein. Das ist aber noch nicht so.
[GW.tv]: Ja, ich verstehe. Auch für den Einsatz im akuten Kontext braucht es entsprechende Qualität. Ja, Avatare sind also für kurze barrierefreie Informationen sinnvoll. Es gibt ein paar Firmen, die sagen, dass es ausreicht, einfach einen Avatar zu verwenden. Sie meinen, warum sollte man die teuren Dolmetscher:innen nehmen? Ein Avatar ist doch ausreichend. Bevor gehörlose Personen gar nichts verstehen, ist es besser, wenn sie durch den Avatar zumindest etwas mitbekommen. So denken sich das einige Menschen. Wie ist deine Meinung dazu?
[Schügerl]: Ich weiß, dass hörende Personen hier noch mehr Sensibilisierung und Aufklärung brauchen. Auch das Argument, der Avatar sei besser als nichts. Das wäre, wie wenn ich umgekehrt sagen würde, eine Computerstimme ist genug. Ist ja besser als nichts. Die Computerstimme tut weh in den Ohren. Und mir tut es in den Augen weh, wenn ich den Avataren zuschaue. Das stimmt. In einer Gefahrensituation, zum Beispiel bei einem Brand, ist es okay, wenn die Qualität passt. Aber wenn wir jetzt so eine Situation haben, dann wäre das mit den derzeitigen Avataren sehr gefährlich. Es besteht Gefahr, dass es zu Missverständnissen kommt. Außerdem schaut dieser Avatar aus wie eine Comicfigur. Wenn es aber um eine ernste Gefahrensituation geht, braucht es unbedingt echte Gebärden. Da muss ein Mensch her und nicht neutrale, monotone Gebärden. Das ist nicht zielführend. Da bekomme ich Augenkrebs.
Hier braucht es wirklich Sensibilisierung und Aufklärung, warum das so ist. Man muss sich auch dessen bewusst werden, was sich die Gehörlosen-Community wünscht. Es ist wichtig, dass Anpassung nicht immer nur in eine Richtung passiert. Immer wieder werden Dinge als barrierefrei angepriesen und es ist im Endeffekt nur Fassade. Dann kann man es gleich lassen – wirklich sinnlos. Wenn, dann muss es echte Barrierefreiheit sein!
[GW.tv]: Stimmt, das ist wirklich Verschwendung und bringt oft nichts. Ich habe noch eine letzte Frage. Ein wichtiges Thema ist ja, wie man die Avatare besser an gehörlose Menschen anpassen kann. Kannst du uns vielleicht ein paar Tipps mitgeben? Hast du eine Botschaft für all jene, die in Zukunft an und mit Avataren arbeiten?
[Schügerl]: Ja, wenn ich an meine Forschungsergebnisse denke, die ich damals dokumentiert habe. Da gibt es schon kleine Lichtblicke. Es ist nämlich nicht so, dass gehörlose Personen Avatare vollständig ablehnen. Sie würden den Einsatz von Avataren schon akzeptieren. Voraussetzung für ihre Akzeptanz ist jedoch, dass die entsprechenden Kriterien erfüllt werden. Deswegen liegt es an den Firmen, die mit Avataren arbeiten. Gehörlose Personen lehnen es nicht komplett ab. Es braucht nur ein paar Veränderungen, dann wäre alles bestens. Wenn es diesen Fortschritt tatsächlich gibt, sind auch die gehörlosen Nutzer:innen zufrieden. Ich denke, jetzt liegt es an den Firmen, aktiv zu werden. Wir haben ihnen schon gezeigt, was wir uns wünschen. Wenn das alles umgesetzt wird, könnte man einiges wieder geradebiegen, was davor schiefgelaufen ist.
[GW.tv]: Ja, das ist echt wichtig. Ich hoffe, dass es bald läuft.
[Schügerl]: Ich denke, in Zukunft muss man weiterhin ein paar Denkanstöße geben. In den Firmen gibt es ja schon gehörlose Mitarbeiter:innen. Vielleicht können sie auch aktiv werden und für Veränderung sorgen. Bei gehörlosen Personen ist die Bereitschaft schon da.
[GW.tv]: Ja. Gut. Vielen lieben Dank für den Einblick! Avatare werden besonders im Kontext des technischen Fortschritts auch zukünftig ein wichtiges Thema bleiben. Da kommt es dann halt darauf an, in welche Bahnen man das lenkt. Danke auch für deine Forschung!
[Schügerl]: Danke für alles! Ja, danke auch für die Einladung! Tschüss.
[GW.tv]: Tschüss.