Ich bin nicht allein“ – so reagiert eine Besucherin auf Anita Lackenbergers Dokumentarfilm „Gehörlos“. Auf der großen Leinwand sprechen Menschen aus der Gehörlosen-Community offen über erlebte Diskriminierung und Missbrauch. Ihre Erzählungen reichen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart – von sprachlicher Deprivation bis hin zur Zwangssterilisation. Wir haben die Premiere besucht und mit Regisseurin Anita Lackenberger, Mitwirkendem Lukas Huber sowie dem Publikum über den Film gesprochen.
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Transkript:
[Amanda – GW.tv]: Heute geht es um den Film “Gehörlos”. Darin erzählen mehrere Personen ihre eigene Geschichte. Der Inhalt ist besonders spannend. Es werden einige gehörlose Personen kommen. Für heute Abend sind die Tickets ausverkauft. Der nächste und somit zweite Termin findet am 22. April statt. Das bedeutet, wenn ihr den ersten verpasst habt, könnt ihr vielleicht dann vorbeikommen und euch den Film anschauen.
[Anita Lackenberger]: Der Ausgangspunkt war ja, dass 42 Kinder verschwunden sind. Im Jahr 1938. Und aus der Geschichte hat sich eruiert, dass diese Kinder nicht verschwunden waren, sie haben ja zum Teil überlebt, aber überlebt haben sie meistens sterilisiert und kastriert. Die Männer kastriert, die Frauen sterilisiert. Das war sozusagen der Ausgangspunkt einer Reise von Schicksalen, die diese Art von Schicksal nicht nur in den 40er-Jahren hatten, sondern viel, viel später auch noch.
Und mein Zugang war einfach das: ich mache das, was ich gerne mache: ich lass Leute reden. In Gebärdensprache in diesem Fall. Und die Menschen haben von ihrem Leben erzählt. Also ich sehe mich da eher als jemand, der das in der Dramaturgie moderiert, aber die Geschichten haben die Menschen selber erzählt, und das Besondere daran war: Sie hatten bis jetzt kaum die Gelegenheit, das zu erzählen. Und mit diesem Film haben sie jetzt endlich eine Stimme im wahrsten Sinn des Wortes. Auch wenn die Stimme die Gebärde ist. Und wir setzen uns jetzt auch massiv mit der Schönheit der Gebärde auseinander.
[GW.tv]: Am Plakat stehen zwei weitere Namen, Herr Mader und Lukas Huber. Wie hat diese Zusammenarbeit, diese Kooperation funktioniert?
[Anita Lackenberger]: Also, Gerhard Mader ist mein Mann und gleichzeitig der Co-Produzent. Also ich mach immer den inhaltlichen Teil, er macht den technischen Teil bzw. die wunderbare Kamera, und Lukas Huber ist ja einer der wichtigsten Protagonisten in der gehörlosen Gemeinschaft. Er setzt sich ja sehr stark mit den Opferrenten auseinander, Er ist auch inhaltlich jemand […] Ich glaube es gibt kaum jemanden, der so viel weiß wie er. Und er hat sich inhaltlich eingebunden und war eigentlich auch dafür verantwortlich, dass wir die das Projekt überhaupt machen können.
[Amanda – GW.tv]: Heute geht es ja um den Film “Gehörlos”. Warum wurde der Film genau so produziert? Was war der ausschlaggebende Grund?
[Lukas Huber]: Der Hauptgrund, warum dieser Film über Gehörlosigkeit produziert wurde, ist, dass es vorher schon einen Film über eine Gehörlosenschule in St. Pölten gab, die 1938 aufgelöst wurde. Als ich den damals gesehen habe, war ich damit ganz und gar nicht einverstanden. So soll es nicht gezeigt werden! Dieses Thema darf nicht vergessen werden, aber es braucht einen anderen Umgang. Bei dem vorherigen Film gab es überhaupt keinen Kontakt zu gehörlosen Schauspieler:innen oder Mitarbeiter:innen. Es sollte jetzt wirklich ernst genommen werden. Ich habe zu zahlreichen Dingen aufgeklärt und betont, wie wichtig es ist, mit gehörlosen Personen zusammenzuarbeiten. Das Gute war, dass Frau Lackenberger meine Kritik voll und ganz angenommen hat. Für sie war das selbstverständlich. Sie hat sich gleich darüber Gedanken gemacht und reflektiert. In weiterer Folge haben wir uns per E-Mail und persönlich darüber ausgetauscht. Anschließend haben wir gemeinsam einen Antrag bei der Förderstelle gestellt. Die gilt österreichweit. Ab da ist alles reibungslos verlaufen, worüber ich mich sehr gefreut habe. So hat alles mit dem Film begonnen.
Gut, ich wünsche jetzt viel Spaß beim Zuschauen.
[Amanda – GW.tv]: Der Kinofilm ist jetzt zu Ende. Jetzt wo du den Film gesehen hast, was hat dich am meisten zum Nachdenken gebracht?
[Besucherin]: Es waren einige Eindrücke, die mich ermutigt haben, aktiv zu werden. Ich muss jetzt auch den nächsten Schritt gehen und meine Situation zur Anzeige bringen. Im Film geht es um gehörlose Personen, die in Gehörlosen-Schulen schlimme Dinge erlebt haben. Hier geht es um Missbrauch und Dinge dergleichen, die nicht in Ordnung sind. Es ist schockierend, dass solche Dinge heutzutage noch immer passieren. Darum müssen wir ein Zeichen setzen.
[Amanda – GW.tv]: Was hat dir in dem Film am meisten gefallen?
[Besucherin]: Dass ich nicht alleine bin. Wir sind eine Gemeinschaft.
[Amanda – GW.tv]: Genau. Ich danke dir!
[Besucherin]: Ich danke auch!
[Amanda – GW.tv]: Was ist dein Eindruck, nachdem du den Film gesehen hast?
[Besucherin]: Wahnsinn, ich hatte so eine Gänsehaut. Ich kann mir das selbst gar nicht vorstellen. Ich selbst bin ja davon nicht betroffen. Als ich das gesehen habe, war es ganz schlimm für mich. Einfach schrecklich. Ich muss das ganze jetzt mal verarbeiten.
[Amanda – GW.tv]: Der Film hat bei dir Gänsehaut ausgelöst. Was würdest du für die Zukunft als gut empfinden?
[Besucherin]: Eine komplette Veränderung. Es muss für alle verändert werden, um die Barrierefreiheit gewährleisten zu können.
[Amanda – GW.tv]: Der Kinofilm hat viele gehörlose Personen zum Nachdenken angeregt. Vielen Dank!
[Besucherin]:Sehr gerne!