Als Behindertenanwältin vertritt Christine Steger die Anliegen von Menschen mit Behinderungen gegenüber den Staat. Wir haben sie auf der Zero Conference getroffen und nach ihrer Meinung zum neuen Regierungsplan gefragt.
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Transkript:
[GW.tv]: Es hat ein bisschen länger gedauert, aber wir haben endlich eine neue Regierung mit einem neuen Regierungsplan. Da stehen schon einige Punkte zu Behinderungen und Inklusion. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
[Christine Steger]: Ja, ich bin grundsätzlich sehr froh, dass wir jetzt eine Regierung haben, weil es hat ja doch schon länger gedauert. Ich sage mal, es ist sehr promising (Anm. vielversprechend), weil einige Punkte drinnen sind, die extrem relevant sind. Also gerade im Hinblick auf die Verbesserung von Struktur-Bedingungen von Menschen mit Behinderungen. Wobei man natürlich sagen muss, es ist überschriftenmäßig geregelt. Wir müssen natürlich schauen, was es in der Tiefe dann auch bedeutet. Und da muss man auch sehr genau darauf achten, dass man da auch immer partizipativ bleibt und immer auch die Anliegen von Menschen mit Behinderungen direkt von Menschen mit Behinderungen auch vertreten lässt.
Das wird sozusagen die Aufgabe sein, die ich auch habe und wir auch in der Community haben, darauf zu achten, dass es eben nicht nur Überschriften bleiben. Und dass es eben wirklich in der Tiefe gut für die Verbesserung der Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen ist.
[GW.tv]: Also ganz konkrete Maßnahmen werden wir wahrscheinlich erst mit der Budgetverteilung dann wissen. Aber gibt es etwas von dieser Überschrift, wo man sagt: „Okay, das ist mal ein super erster Schritt?“ Oder auf der anderen Seite etwas, wo man sagt: „Nein, das sollte auf gar keinen Fall so stehen?“
[Christine Steger]:Also ich finde es sehr, sehr begrüßenswert, dass darüber gesprochen wird, wie der Zugang zu Verwaltungsverfahren läuft. Das klingt jetzt sehr sperrig und sehr technisch, aber das muss man sich so vorstellen, dass wir in Österreich sehr, sehr viele verschiedene Begutachtungsverfahren haben für verschiedene Bereiche. Also Kinder mit Behinderungen müssen jedes Jahr für einen Leistungsbezug begutachtet werden. Ob das jetzt die erhöhte Familienbeihilfe ist, dann gibt es natürlich das Pflegegeld, dann gibt es die IV-Pension.
Es gibt so viele verschiedene Bereiche, wo Behinderung begutachtet wird, und es ist auch immer schon wiederkehrend in verschiedenen Themen. Und da ist es halt so, dass es für Menschen mit Behinderungen einen großen Aufwand bedeutet, aber auch sehr wenig nachzuvollziehen ist, warum es so viele unterschiedliche Verfahren braucht. Und das ist auch etwas, was als Überschrift schon drinsteht, dass es hier eine Vereinfachung geben soll. Und das könnte, wenn das gelingt, schon eine große Erleichterung für Menschen sein.
[GW.tv]: Im Moment ist alles nur auf Überschriften und Pläne basiert. Wir wissen, der Staat ist ja sehr tief verschuldet. Wie ist Ihre Einschätzung? Wie wahrscheinlich ist es, dass Inklusion wirklich zu einem Schwerpunkt, zu einer Priorität für die neue Regierung wird?
[Christine Steger]: Also das würde ich mir nicht trauen, eine Einschätzung zu geben, weil das wäre ein bisschen wie Kaffeesudlesen. Aber grundsätzlich habe ich schon ein großes Vertrauen, dass der neuen Regierung einfach klar ist, dass es eine große Verantwortung gibt in Bezug auf die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen. Das ist natürlich auch sehr, sehr schwierig in angespannten budgetären Umgebungen.
Aber gleichzeitig ist es ja auch so, dass sehr, sehr vieles klargestellt ist. Es sind Rechte, die Menschen mit Behinderungen haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es hier einen verantwortungsvollen Umgang damit geben wird. Ich hoffe es.
[GW.tv]: Und eine letzte Frage: Konkret zur Gebärdensprache steht aber nicht so viel drin. Ich glaube, das ist nur eine einzige Zeile. Können wir etwas erwarten oder etwas Bestimmtes erkämpfen? Vielleicht mehr Rechte im Bezug auf Gebärdensprache als Minderheitenrecht?
[Christine Steger]: Ja, das ist natürlich schade, weil man hätte die Gebärdensprache viel mehr stärken müssen und auch können. Ich meine, wir haben ja das große Thema, dass das als anerkannte Sprache gilt, aber keine Amtssprache in dem Sinne ist, was bedeutet, dass man auch sehr, sehr viele Bereiche hat, wo man nicht selbstverständlich Gebärdensprache angeboten bekommt. Also da hätte es schon einen deutlichen Schritt gebraucht. Der ist leider nicht passiert.