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„Wir brauchen euch alle“: Demo für Taubblinden-Assistenz

Am 26. September hat die ÖHTB-Beratungsstelle für taubblinde und hörsehbeeinträchtigte Menschen zu einer Kundgebung vor dem Parlament eingeladen. Dabei ging es konkret um die Forderung nach Taubblinden-Assistenz. Viele gehörlose und taubblinde Menschen zeigten bei der Kundgebung ihre Unterstützung. Wir waren vor Ort und haben mit den Organisatorinnen sowie einem Betroffenen gesprochen. 

 

*Alternativlink zum Video: YouTube

 

Transkript: 

[Barbara Latzelsberger]: Also, wir sind gerade dabei, eine Qualifizierung zur Taubblinden-Assistenz abzuschließen. Und wir wollten heute mit dieser Kundgebung darauf aufmerksam machen, dass es ganz, ganz dringend eine gesetzliche Verankerung für Taubblinden-Assistenz braucht. Dass das keine willkürliche Hilfe oder kein Betteln darum sein darf, sondern dass taubblinde Menschen ein Anrecht darauf haben müssen und sollen, damit sie an der Welt partizipieren und ihre Lebensqualität verbessern können. Das ist das, wofür wir vor 18 Jahren angetreten sind. Und jetzt haben wir das endlich geschafft. Wir sind eigentlich wirklich stolz und glücklich, aber leider nicht wahnsinnig zuversichtlich, weil wir auch schon viele Rückschläge erlebt haben. Aber wir geben trotzdem nicht auf.

[GW.tv]: Gut, wir sind heute hier vor dem Parlament und haben eine Kundgebung über das Etablieren und die Förderung von Taubblinden-Assistent:innen gesehen. Schön, dass wir uns mit dir unterhalten dürfen. Kannst du dich kurz vorstellen?

[Dominik Pointner]: Hallo, mein Name ist Dominik, und mein Gebärdenname schaut so aus. Ich bin taubblind und heute hergekommen, um bei der Kundgebung dabei zu sein. Es wird über Taubblindheit aufgeklärt, und ich möchte meine Unterstützung zum Ausdruck bringen. Ich möchte schauen, dass taubblinde Menschen bessere Bedingungen fürs Leben, aber auch konkret für den Arbeitsbereich haben. Es braucht Taubblinden-Assistenz für alle Bereiche – egal ob im privaten Bereich, für Amtliches, in der Freizeit oder am Arbeitsplatz.

[GW.tv]: Danke für deine Erzählungen, warum Taubblinden-Assistenz so wichtig ist. Jetzt wollte ich dich fragen, welche Barrieren du für die Taubblinden-Community wahrnimmst. Was muss wirklich noch verbessert werden?

[Dominik Pointner]: Ich beobachte die Situation in Österreich schon länger. Ja, taubblinde Personen stoßen auf viele Hürden. Besonders Kommunikationshürden führen zu weiteren Barrieren. Manche geben dann einfach auf. Ich wünsche mir wirklich, dass man da dranbleibt. Wir müssen uns gegenseitig stark machen und unsere Rechte einfordern. Wir müssen taubblinde Identitäten stärken und uns durch Bildung empowern. Nur so kommen wir zu barrierefreien Zugängen. Wenn wir nicht aufgeben, die Hürden zu überwinden, werden sich viele Türen öffnen. Also, ich wünsche mir da eine positive Zukunft.

[GW.tv]: Danke für diese wichtigen Aspekte! Du hast jetzt gesagt, die Kommunikation ist natürlich schwierig. Die Anerkennung der Gebärdensprache war ja für die Gehörlosen-Community sehr wesentlich. Ist das auch für die Taubblinden-Community relevant, oder braucht es da noch andere Wege?

[Dominik Pointner]: Ja, also klar, Gebärdensprache ist für taubblinde Personen essenziell. Es kommt aber hier noch die Notwendigkeit von Haptik dazu. Ich zeige gerne ein Beispiel: So kommuniziert man zum Beispiel, dass man aufs WC geht. [zeigt taktile Gebärde am Arm] Haptic Signs, um etwa Orientierung in einem Raum zu bekommen. Dann wird etwas auf der Schulter gezeigt, so wie ich es jetzt gerade gezeigt habe, damit taubblinde Personen eine bessere Orientierung bekommen, was gerade in diesem Raum los ist.

[GW.tv]: Ah, okay, spannend. Das heißt, man muss mehr Informationen zur Umgebung bekommen. Ich habe erfahren, es gab auch mal ein Taubblinden-Camp, wo alle zusammengekommen sind. Was war so deine Erfahrung? Warum bist du dorthin gefahren? Wie war dieses Camp?

[Dominik Pointner]: Ja, ich war beim Deaf-Blind-Camp dabei. Ich habe dort auch gearbeitet. Ich hatte dort ein Team, habe dort gearbeitet und war Teil des Teams. Es war wirklich sehr, sehr berührend, was ich dort alles erlebt habe, weil gehörlose und taubblinde Menschen aus ganz Europa, aus den unterschiedlichsten Ländern gekommen sind. Man hat gemerkt, wie in dieser Zeit tatsächlich Entwicklung, Selbstwert und alles so gestiegen ist – Freundschaften wurden geknüpft, Respekt und Anerkennung erlebt, so viel ausgetauscht und gelernt. Es ist ein unglaublicher Ort der Entwicklung, und das war wirklich sehr berührend.

[GW.tv]: Welche Erfahrungen konntest du da mitnehmen? Und was möchtest du nun in Österreich umsetzen?

[Dominik Pointner]: Na ja, ich würde mir wünschen, dass es für taubblinde Menschen so etwas wie einen Verein oder Bund gibt, also dass wir das gründen können, um mehr Kontakt zu haben, um wirklich eine tragfähige, warme Community zu bilden. Das wäre ein Wunsch.

[GW.tv]: Ah, okay. Ich merke, Community ist immer wichtig. Letzte Frage: Hast du noch eine Botschaft für die Taubblinden-Community?

[Dominik Pointner]: Hallo meine Lieben, alle Betroffenen von Taubblindheit. Was ich mir so sehr wünsche: Kommt, machen wir ein Netzwerk, kontaktiert mich. Wir brauchen euch alle. Jede einzelne Person brauchen wir, um wirklich etwas aufzubauen und unsere Situation zu verbessern. Bitte tun wir uns zusammen und kämpfen für das gleiche Ziel. Also: Gemeinschaft und die Taubblinden-Community – dafür wollen wir kämpfen, um unsere Ziele zu erreichen.

[GW.tv]: Danke, Dominik.

[GW.tv]: Was sollte die breitere Gesellschaft wissen im Umgang mit taubblinden Menschen?

[Barbara Latzelsberger]: Also als Erstes muss die Gesellschaft wissen, dass es sie gibt. Ich glaube, dass ganz viele Menschen das nicht wissen, und das ist auch total verständlich. Man kennt gehörlose Menschen – das kennt man, weil man Gebärden sieht. Man kennt natürlich auch blinde Menschen. Vielleicht hat man jemanden im Umfeld, der stark sehbeeinträchtigt oder schwerhörig ist. Gerade bei Älteren – das kennt man. Aber diese Existenzform, die entsteht, wenn man sowohl im Hören als auch im Sehen eine Beeinträchtigung hat, wo die Welt wirklich klein wird – das kennen natürlich ganz wenige.

Es ist auch eine sehr heterogene Gruppe. Wir haben taubblind geborene Kinder, da gibt es ganz andere Themen als in der älteren Gesellschaft, wo wir eine stetig steigende Zahl an Betroffenen haben. Wir nennen alle, die nach 65 eine Hörsehbeeinträchtigung bekommen, „Elderly Deafblind“. Und diese Gruppe wird natürlich immer größer, weil die Lebenserwartung der Menschen immer höher wird. Ich kenne kaum jemanden über 85, der keine Probleme beim Hören und Sehen hat.

Also, es ist schon etwas, was uns alle betrifft, aber man merkt es erst, wenn man wirklich davon betroffen ist. Die Menschen müssen wissen, dass taubblinde Menschen genauso fühlen und denken wie wir alle und genauso leben wollen. Sie brauchen einfach Assistenz – in der Kommunikation, in der Vermittlung, im Verstehen von Informationen –, einfach um an der Gesellschaft teilhaben zu können.

[GW.tv]: Wie schaut eigentlich die Ausbildung zur Taubblinden-Assistenz aus oder wie lange dauert sie?

[Barbara Latzelsberger]: Also, wir haben ja nur eine Qualifizierung jetzt durchführen können – aber immerhin die erste in Österreich. Wir waren wirklich glücklich und sind stolz, dass wir 17 Teilnehmer:innen haben, die alle sehr engagiert sind. Wir haben etwa zur Hälfte gehörlose und zur Hälfte hörende Personen – querbeet von Menschen, die schon lange im Sozialbereich tätig sind, bis hin zu solchen aus ganz anderen Berufsfeldern.

[Jana Horkava]:Ich sehe das nicht unbedingt als unser Projekt, sondern als Projekt für die Politik: dass man weiter schaut und die Taubblinden-Assistenz in ganz Österreich vereinheitlicht, damit alle Menschen diesen Zugang und die nötige Assistenz bekommen. Das ist das Ziel für die Zukunft.

Foto/Video Credits: Krusche Heger / Gebärdenwelt.tv
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