Auch hörende Künstler:innen wagen den Schritt ihre Programme mit Gebärdensprache anzubieten. Wir haben uns angesehen, ob Humor Brücken zwischen Sprachen und Kulturen schlagen kann.
*Alternativlink zum Video: YouTube
[GW.tv]: Wir sind heute im Stadtsaal. Es sind hier schon die Sitzreihen zu sehen. Heute tritt ein Kabarettist auf, der hier seinen Humor zum Besten gibt. Es geht darum das Publikum zum Lachen und Staunen zu bringen. Funktioniert das auch für gehörlose Personen? Ja, es kommen zwei Dolmetscherinnen, die für das Publikum dolmetschen. So kann das ganze Publikum der Vorstellung folgen.
[Omar Sarsam]: Ich habe heute das Vergnügen von zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen begleitet zu werden. Wir haben das Vergnügen, nämlich die gesamte erste, die zweite Hälfte, das gesamte Programm. Ganz kurz vorweg: Sie alle …
[GW.tv]: Mit welchen zwei Personen stehe ich gerade hier? Kannst du dich kurz vorstellen und zeigen, wie dein Gebärdenname ist?
[Omar Sarsam]: Sehr gerne, ich freue mich. Ich habe letztes Mal einen Gebärdennamen bekommen. Und er dürfte anscheinend nach einer Sache benannt worden sein, die ich öfter mache. Mein Name ist Omar.
[GW.tv]: Omar ist also dein Gebärdenname. Wow. Wie sind eigentlich deine Auftritte als Kabarettist entstanden? Kannst du uns etwas darüber erzählen?
[Omar Sarsam]: Ich bin hineingestolpert. Das war nie das Ziel Kabarettist zu werden. Aber ich hab immer gemerkt, es macht großen Spaß, Menschen im Publikum zum Lachen zu bringen. Das dachte ich nie, dass es beruflich gehen wird, und irgendwie hat es dann doch funktioniert.
[GW.tv]: Bist du Vollzeit als Kabarettist tätig?
[Omar Sarsam]: Ich bin im zweiten Beruf Arzt. Oder im ersten Beruf?! Eigentlich schwer zu sagen, was ich im ersten und was ich im zweiten Beruf bin. Ich bin beides. Ich sag dann gerne, ich bin 100% Kabarettist und 100% Arzt. Also du hast beides in dir vereint und bringst es auch auf die Bühne. Das eine geht nicht ohne das andere. Ich hab schon versucht, mal mehr von dem einen und dann mehr von dem anderen zu machen. Und sobald eines weniger wird, fällts hin. Genau, das geht nicht.
[GW.tv]: Wie ist dir die Idee gekommen, bei den Auftritten als Kabarettist ÖGS-Dolmetscher:innen zu integrieren?
[Omar Sarsam]: Das war ein Zufall, der uns zusammengeführt hat. Wir wussten an einem Abend nicht, dass wir gemeinsam auftreten werden. Ich wusste nicht, dass ich zwei Gebärdensprachdolmetscher:innen haben werde. Und wir mussten diesen Auftritt einfach hinlegen. Und haben uns ein bisschen davor gefürchtet. Aber während des Auftrittes und auch nachher gemerkt, dass wir eigentlich wahnsinnig viel Spaß hatten. Und noch dazu, glaube ich, ein gutes Gefühl, eine gute Emotion und die Inhalte super transportiert haben. So, als wäre es ausgemacht gewesen und als hätten wir jahrelang geprobt. Und wir verraten auch nicht, wie lange wir für heute Abend geprobt haben.
Oida? Was, Oida? Nix, Oida. Fix, Oida. Passt, Oida. Check, Oida. Check, Oida. Oida, was ist, Oida? Oida, ich hab Patient, Oida. Oida, was hat, Oida? Oida, weißt eh, so Skateboard, Oida. Skateboard, Oida? Genau, mit Skateboard zuerst so “zoom”, Oida. “Zoom”, Oida? Genau, “zoom” Oida und so “trsch”, Oida. “Trsch”, Oida. Und dann nach “trsch” so sicher so Oida. Frei erfunden. Welche Beschwerden führen Sie zu uns, meine Mutter?
Klaviermusik und Gesang
Persönlichkeitsstörung alleine therapiert, jetzt sind wir zu viert.
[GW.tv]: Wir auch. Ist uns noch nie passiert. Wer seid ihr? Vielleicht könnt ihr euch kurz vorstellen.
[Anna Gravogl]: Hallo, mein Name ist Anna.
[Marietta Gravogl]: Mein Name ist Marietta.
[GW.tv]: Was macht ihr beruflich?
[Anna Gravogl]: Ich bin Dolmetscherin. Wir haben beide den gleichen Beruf.
[GW.tv]: Ihr seid also beide Dolmetscher:innen. Und ihr seid beide im Kabarett mit Omar aufgetreten. Wie war die Vorbereitung für euch? Gab es Unterlagen? Konntet ihr vorher gemeinsam im Saal proben? Oder wie läuft das ab?
[Marietta Gravogl]: Wir haben zuerst grob geplant. Zuerst haben wir uns das Kabarett mal selbst als Zuschauerinnen angesehen. Wir haben es zweimal angeschaut. Um das Gefühl dafür zu bekommen, muss man natürlich zu Hause üben. Einfach nur zuschauen ist zu wenig. Deswegen haben wir ausgemacht, dass wir Videomaterial zugeschickt bekommen. Uns wurde also dann das Programm geschickt. Wir beide haben uns jeden Satz ganz genau angeschaut und überlegt, wie wir ihn am besten in die Gebärdensprache übersetzen können.
[GW.tv]: Wie ist das, wenn man Humor von Deutsch in die ÖGS übersetzt? Ist das eine große Herausforderung für euch? Wie funktioniert das?
[Anna Gravogl]: Ja schon. Das ist schon eine große Herausforderung. Das Kabarett ist für das hörende Publikum gemacht. Das bedeutet, dass die Gehörlosenkultur nicht mitbedacht wurde. Viele Witze sind für das hörende Publikum lustig, ja, aber nicht für das gehörlose Publikum. Wie soll man das am besten übersetzen? Wir haben die Witze verstanden, aber die Witze in die ÖGS zu übertragen war schon eine sehr große Herausforderung. Das ist nicht so einfach. Auch das Tempo zu halten ist schwierig, man hat immer nur eine Sekunde Zeit. Es wird schnell gesprochen und wir müssen da dranbleiben. Es gibt keine Zeit für lange Erklärungen. Das heißt, der Zeitdruck und die Übersetzung der Witze sind schon eine große Herausforderung. Die Aufführung dauert über eine Stunde. Wir beide haben wirklich viel überlegt und probiert, wie wir die Witze am besten gebärden können. Wir haben auch gehörlose Menschen gefragt, wie wir die Witze übersetzen können oder was wir noch verbessern können. Damit wirklich das ganze Publikum alles verstehen kann. Wir wollten nicht, dass es als inklusiv beworben wird und in Wahrheit nicht inklusiv ist. Darum haben wir versucht, es so gut wie möglich umzusetzen.
[Marietta Gravogl]: Uns war auch bewusst, dass wir das Kabarett beim ersten Mal nicht zu hundert Prozent perfekt dolmetschen würden. Deshalb war unsere Einstellung so: Wir geben unser Bestes, aber wir sind dankbar über jedes Feedback. Wir bauen das gerne ein, um uns zu verbessern.
[GW.tv]: Wow, das ist eine große Herausforderung. Hörende verstehen die Witze auf Deutsch, aber für Gehörlose ist das schwierig. Ihr habt schon gesagt, dass das Dolmetschen eines Kabaretts eine große Herausforderung ist. Wie unterscheidet sich das Dolmetschen im Kabarett von anderen Dolmetschsituationen?
[Anna Gravogl]: Der erste Unterschied ist, dass man hier lachen darf, das ist fein. Man kann auch spontan ein paar Dinge auslassen, das geht woanders nicht. Da muss man sich an das Gesagte halten. Die Ausdrucksform ist anders, auch ein bisschen lockerer. Ja, genau. Wir drei haben viel Spaß gemeinsam.
[Marietta Gravogl]: Wir haben auch schon vorab mit Omar ausgemacht, dass wir auch unterbrechen oder etwas ergänzen dürfen. Deswegen wusste Omar schon Bescheid und er hat auch nie gesagt, dass wir nur seinem Text folgen müssen. Auch wenn wir spontan das Gefühl hatten, dass etwas nicht passte, konnten wir unterbrechen. Er hat sich dann an uns angepasst. Ich glaube, das braucht einfach noch Zeit. Jetzt war die erste Aufführung und wir haben schon Feedback bekommen: Es war gut, danke, aber bitte probiert, noch ein paar Dinge zu verändern. Ich hoffe, dass wir das gut umsetzen können.
[Anna Gravogl]: Ja. Für mich war es schon lustig. Es war sehr angenehm, dass Omar auch offen war für Feedback. Und er kann das auch mit Humor nehmen. Es war sehr angenehm, dass wir zusammengearbeitet haben. Es war nicht so, dass Omar und wir getrennt voneinander aufgetreten sind, sondern ein Zusammenspiel von uns dreien. Das war lustig. Wir haben uns gegenseitig geneckt, das war angenehm. Das Kabarett sollte lustig sein. Es sollte nicht zu hundert Prozent perfekt sein, sondern das Ziel war Stimmung zu machen und dass das Publikum Spaß hat. Und das war dabei.
[Marietta Gravogl]: In einem ersten Schritt haben wir versucht, das kulturelle Angebot ein bisschen zu erweitern, wo es derzeit noch kaum Angebote gibt.
[GW.tv]: Das war unser Ziel. Toll! Vielen Dank euch beiden und viel Erfolg heute Abend! Danke! Danke! Danke fürs Kommen!
Natürlich ist klar, dass die Umsetzung von „lautsprachlichem“ Humor in ÖGS eine enorme Herausforderung darstellt. Witze, lustige Geschichten oder humorvolle Lieder sind eng mit Sprache und Kultur verbunden. Umso schwieriger ist es, diese Ebenen in einen anderen Sprach- und Kulturraum zu transportieren. Ob das so gelungen ist und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt, haben wir erfragt.
Wir haben ein paar gehörlose Besucher:innen gefragt, wie es ihnen gefallen hat. Wir haben die Meinungen gesammelt und möchten ein kurzes Gesamtfeedback aus der Community geben. Es ist gut, dass es Angebote mit Österreichischer Gebärdensprache gibt. Die Freude war groß, etwas Barrierefreies zu besuchen. Einige sagen, sie würden wiederkommen, wenn nochmal etwas Barrierefreies angeboten wird.
Inhaltlich waren einige Witze für das gehörlose Publikum nicht verständlich. Gehörloses Publikum wurde nur zum Teil erreicht. Es waren viele Lieder dabei, was noch eine zusätzliche Herausforderung für die Umsetzung in ÖGS darstellt.
Die Verbesserungsvorschläge sind:
• Inhaltliche Anpassung des ursprünglichen Programms für gehörloses Publikum
• Aufklärung/Zusammenarbeit mit/durch gehörlosen Personen = Expert:innen für Zielgruppe
• Einsatz tauber Dolmetscher:innen oder Dolmetschteam
Wir freuen uns, dass es viele Kunst- und Kulturbereiche gibt, wo Barrierefreiheit thematisiert wird und man sich aktiv dafür einsetzt. Dennoch darf man nicht vergessen, dass es ein Bereich ist, der sich gerade rasant entwickelt. Umso wichtiger ist es zugleich eine entsprechende Feedbackkultur zu entwickeln. Warum das so wichtig ist und vieles mehr findet ihr in unserer Podiumsdiskussion.