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Menschenrechte in Österreich: Florian Horn zieht negative Bilanz

Alle 5 Jahren wird die österreichische Zivilgesellschaft von der UNO eingeladen, einen Bericht über die Einhaltung von Menschenrechten abzugeben. Mit dem aktuellen Bericht zieht die Liga für Menschenrechte eine negative Bilanz: Von 236 Forderungen wurden nur 19 mit maßgeblichen Erfolg umgesetzt. Im Bereich Inklusion gibt es teilweise sogar Rückschritte. Gewalt gegen Frauen verursacht Kosten von €7,3 Milliarden Euro pro Jahr. Bei der Pressekonferenz zu diesem Bericht haben wir mit Florian Horn von der Liga für Menschenrechte gesprochen. 

 

*Alternativlink zum Video: YouTube

 

Transkript: 

[GW.tv]: Sie sind von der Liga für Menschenrechte. Und Sie haben jetzt heute einen Menschenrechtsbericht rausgebracht. 2023 war diese UNO-Menschenrechtsstaaten-Prüfung von Österreich. Was ist hier der Unterschied? Das handelt sich um eine ganz andere Prüfung, oder? 

 [Florian Horn]: Es ist ein anderes Instrument. Was der Präsident Klaus Widl angesprochen hat, war die Staatenprüfung im Rahmen der Behindertenrechtskonvention. Das heißt, sie haben innerhalb der UNO ganz viele unterschiedliche Menschenrechts-Instrumente. Und das Besondere am UPR-Prozess, den wir heute gehabt haben, ist, dass es der umfassende Prozess ist. Das heißt, dort ist es nicht auf einem bestimmten Bereich eingeschränkt, sondern es ist wirklich der gesamte große Bereich der Menschenrechte, der hier befasst wird. Das heißt, ein Teil sind die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Aber es sind genauso Rechte von Kindern, Rechte von Frauen und viele anderen Bereiche. 

 [GW.tv]: Sie haben heute erzählt, dass der vierte Zyklus von diesem Prozess nun beginnt, und damit schließen wir den dritten Zyklus ab. Sie haben erzählt, dass es nicht ganz so positiv war, also sind nicht viele Empfehlungen angenommen worden? 

 [Horn]: Ja, also angenommen wurden schon eigentlich relativ viele Empfehlungen. Es wurde so circa 2/3 aller Empfehlungen angenommen, die die Staaten weltweit an Österreich gemacht haben. Das Negative ist, dass dieser Annahme dann in vielen Bereichen nichts gefolgt ist. Und diese Lippenbekenntnisse, das ist in Wahrheit zu wenig. Wenn von den angenommenen Forderungen, ich sage mal, knapp die Hälfte gut oder weniger gut umgesetzt wurde, ist das zu wenig. Da müsste man einen viel höheren Prozentsatz anstreben. 

 [GW.tv]: Gibt es irgendeinen Kontrollmechanismus, um das Ergebnis zu sichern, oder eine Strafe, wenn man diese Anforderung nicht nachkommt? 

 [Horn]: Das gibt es nicht. Aber das ist auf der anderen Seite auch einer der Vorteile dieses Prozesses. Dieser UPR-Prozess ist so klassische UNO-Arbeit, da geht es sehr diplomatisch zu. Das ist eigentlich mit sanftem Druck. Das ermöglicht es aber auf der anderen Seite auch, Dinge anzusprechen. Denn nicht nur Österreich ist Teil dieses Berichtsprozesses, sondern jeder Staat der Welt. Und wenn sich die Staaten wechselseitig Empfehlungen geben und sei es vielleicht um, sozusagen, einem anderen Staat etwas auszuwischen, dann ist das immer noch positiv. Also auch wenn Iran Österreich Forderungen gibt oder China Österreich Empfehlungen gibt, ist das sehr positiv, weil dadurch die Menschenrechte an sich anerkannt werden, und in dem Prozess zur Sprache kommen. Das einzige, was Österreich tun müsste, ist, den eigenen Worten mehr Taten folgen zu lassen. Und das war wirklich eigentlich bedauerlich, dass weder ein Zwischenbericht erstattet wurde, der auch zugesagt worden wäre, noch viele dieser angenommenen Forderungen umgesetzt wurden. 

 [GW.tv]: Was sind Ihrer Meinung nach, die dringendsten Probleme gerade aus österreichischer Sicht? 

 [Horn]: Ja, also ich fange tatsächlich immer gern mit dieser Top-Down-Ansicht an, und sage das wirklich Wichtige ist eher der Prozess an sich. Ja, dass man eine strategische Planung einführt, dass man einen allgemeinen Aktionsplan für Menschenrechte einführt, dass man Menschenrechte einfach den Platz gibt, den sie verdienen. Das ist der Erste. Und welche Menschenrechte das sind. Da ist es aus meiner Sicht wichtig, dass man wirklich alle der unterschiedlichen Interessen gegeneinander abwägt. Weil das Besondere ist ja an diesen menschenrechtlichen Prozessen, nicht, dass man eine Gruppe von Menschen in die Höhe hebt und den Vorzug gibt, sondern dass man eine Gesellschaft schafft, wo wirklich alle Menschen aufeinander schauen. Und das kann nur passieren in diesem riesigen Bereich, der da abgedeckt ist, wenn man einen guten Prozess hat. Ohne das wird es nicht funktionieren, außer durch Zufall. Aber wer hofft denn schon auf den Zufall? 

 [GW.tv]: Also es geht nicht nur auf die politische Arbeit der Regierung, sondern auch Bewusstsein zu schaffen, dass zivilgesellschaftliche Akteure und Organisationen auch kontrollieren und aufeinander schauen, oder? 

 [Horn]: Ja, ich glaube, es ist eine Zusammenarbeit aller Stakeholder, die da enthalten sind. Das ist nicht nur eine… es ist eine Pflicht der Regierung, aber nicht nur eine Pflicht der Regierung. Es ist in Wahrheit eine Pflicht, von jedem, jeder Person, jeder Organisation. Es ist auch eine der Empfehlungen, die leider nicht zum Fortschritt gekommen ist. Unternehmerische Verantwortung, Lieferketten, aber auch andere Einhaltung von Menschenrechte in Betrieben in Österreich. Auch das wäre eine Verantwortung, die unsere Unternehmerinnen und Unternehmer für sich nehmen müssten. Und es ist eine Chance für Organisationen der Zivilgesellschaft, ihre Bereiche, die sie jeweils abdecken, auch sozusagen einzubringen in den Prozess. Und durch das Zusammenwirken aller dieser Menschen sollte am Ende ein Fortschritt bei den Menschenrechten zu sehen sein. Ich sage immer gern. Menschenrechte, das ist nicht etwas, was man sich nimmt oder was man, sozusagen, wo man auf sein eigenes Recht beharrt, in Wahrheit Menschenrecht bedeutet, dass man die Würde des anderen Menschen anerkennt und dem anderen dieses Menschenrecht gibt. Und wenn das jeder in der Gesellschaft macht, dann geht es am Ende besser. 

 [GW.tv]: Also Sie haben heute den Bericht eingebracht. Was sind die nächsten Schritte, wie geht der Prozess weiter? 

 [Horn]: Ja, also wir werden jetzt tatsächlich gespannt warten, was letzten Endes im Staatenbericht stehen wird, der hoffentlich auch Punkte aus unseren Berichten berücksichtigt. Wir werden das kommentieren. Wir werden in diesem Prozess auch versuchen, ein bisschen Öffentlichkeit zu schaffen. Und das auch ein bisschen mehr ans Licht bringen. Und im Jänner, also nach einem halben Jahr intensiv Menschenrechte, gibt es dann eine große Versammlung in Genf vom Menschenrechtsrat, wo Österreich dann Empfehlungen bekommt und auch diese Empfehlungen dann in Folge annehmen kann, oder das heißt dann, „zur Kenntnis nehmen“. Das bedeutet, man nimmt es nicht zu ernst in Wahrheit. Also wir hoffen, dass Österreich besonders viele annimmt, aber, dass Österreich von diesen angenommenen Forderungen auch besonders viele umsetzt. 

 [GW.tv]: Also der Staaten-Bericht ist quasi: jeder Staat sich selbst beurteilt? 

 [Horn]: Genau, also der Staatenbericht funktioniert so, dass quasi sämtliche Ministerien und Bundesländer in Österreich, weil wir eine föderale Struktur haben, sozusagen, ihre Sichtweisen zusammen melden. Und dann gibt es eine zentrale Stelle im Außenministerium und Bundeskanzleramt, die das dann zu einem österreichischen Bericht zusammenfassen. Positiv ist zu sagen, dass die Kooperation auf dieser Beamtenebene sehr gut funktioniert und auch der Austausch mit der Zivilgesellschaft schon sehr gut funktioniert. Dass wir auch Entwürfe dieser Berichte vorab bekommen und auch Kommentare dazu machen, die dann entweder berücksichtigt werden oder nicht berücksichtigt werden 

Foto/Video Credits: Gebärdenwelt.tv
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