Zweimal im Monat erscheint eine neue Ausgabe von Grenzenlos Sport. Wir berichten nicht nur direkt von Turnieren und Meisterschaften, sondern stellen auch talentierte Sportler:innen aus dem Gehörlosensport vor. Umso mehr freuen wir uns, mit Badminton-Legende Katrin Neudolt unsere erste Sportlerin präsentieren zu dürfen! Die Niederösterreicherin ist zweifache Europameisterin und zweifache Vizeweltmeisterin der Gehörlosen sowie bereits sechsfache Staatsmeisterin bei den Hörenden. Unsere Amanda hat sie in ihrer Trainingshalle zum Spiel (und Interview) getroffen.
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Transkript:
[GW.tv]: Herzlich Willkommen zu Grenzenlos Sport! Wir sind hier gerade vor einer Sporthalle. Dort kann man Federball spielen. Dieser Sport wird auch Badminton genannt. Und zwar mit einer gehörlosen Person namens Katrin, die selbst Badminton mitspielt. Ich werde mal hineinschauen. Ich bin schon sehr neugierig, was es hier alles gibt. Vielleicht darf ich ja sogar mitspielen.
Hier durch die Tür, dann noch durch eine weitere, und schon erreichen wir die Sporthalle.
Puh, wir haben heute schon zusammen Badminton gespielt. Ich bin ordentlich ins Schwitzen geraten. Ja, am besten gleich Gewand wechseln. Wie schaut denn deine tägliche Sportroutine aus?
[Katrin Neudolt]: So wie ihr das heute gesehen und gefilmt habt, gestaltet sich der tägliche Ablauf im hörenden Nationalteam. Heute machen wir Individualtraining. Ein Teil der Gruppe trainiert gemischt, während der andere Teil individuell trainiert. Es ist unterschiedlich und abhängig davon, was geplant ist. Ich bin täglich in der Halle, um zu trainieren. Zusätzlich mache ich noch Krafttraining, Ausdauertraining, Mentaltraining, Regeneration, Physiotherapie und Massage. Das gehört auch zum Training dazu.
[GW.tv]: Wow, das ist also deine tägliche Routine. Deine Karriere läuft ja richtig gut und du konntest Badminton zu deinem Beruf machen. Mich würde interessieren, ob du damals schon wusstest, dass du das beruflich machen möchtest?
[Katrin Neudolt]: Ja, schon als Kind habe ich oft meinen Eltern zugeschaut, da sie selbst Spitzensportler sind. Sie haben mich immer mitgenommen, egal ob zu internationalen oder österreichischen Turnieren. Ich habe verschiedene Sportarten verfolgt. Besonders beim Handball habe ich oft zugeschaut. Schon früh hatte ich die Vision und wusste genau, dass ich später Spitzensport betreiben will. Damit meine ich das tägliche Training und die Teilnahme an Wettkämpfen. Dann hat mich auch meine Oma inspiriert. Sie ist viel gereist und hat mir ihre Fotos gezeigt. Diese beiden Dinge kombiniert hatte ich immer vor Augen und wollte sie unbedingt erreichen. Mit der Zeit habe ich es dann auch geschafft.
[GW.tv]: Wie alt warst du damals, als du diese Vision hattest?
[Katrin Neudolt]: Ich schätze, das war im Alter von 6, 7 oder 8 Jahren. Mit 8, 9 oder 10 Jahren wurde mir immer klarer, dass ich das wirklich will. Ich konnte es zwar nicht in Worte fassen, aber ich hatte es irgendwie im Gefühl. So hat es sich dann entwickelt.
[GW.tv]: Also hast du mit 7, 8 oder 9 Jahren begonnen, Badminton zu spielen? Oder hast du davor oder danach noch andere Sportarten ausprobiert?
[Katrin Neudolt]: Mit 8 Jahren habe ich mit Badminton begonnen. Vorher habe ich auch Geräteturnen gemacht. Meine Eltern haben ja immer verschiedene Sportarten ausgeübt, bei denen ich oft zugeschaut habe. So entstand automatisch meine Begeisterung dafür. Mit 8 Jahren habe ich dann mit Badminton begonnen und praktizierte gleichzeitig Geräteturnen und Handball. Ach ja, genau – auch Fechten. Zwischen diesen Sportarten habe ich immer wieder gewechselt. Beim Badminton bin ich dann schließlich geblieben.
Wir haben das damals als ganze Schulklasse gemacht, und der Trainer hat das so toll gemacht. Egal ob Mädchen oder Burschen – alle wurden fair behandelt. Badminton ist ein Sport, bei dem alle gleichberechtigt sind. Beim Training fühlte ich mich sehr wohl. Die Kommunikation war klar und funktionierte reibungslos. Aber ich bin die Einzige aus der Gruppe, die tatsächlich übrig geblieben ist. Das war eine tolle Gruppe und ja, so hat sich das entwickelt.
[GW.tv]: So hast du also die Liebe zum Badminton gefunden, und so ist es bis heute geblieben. Du hast damals mit 7 oder 8 Jahren mit Badminton begonnen. Wie würdest du sagen, ist die Entwicklung seit damals bis jetzt? Wie war es damals, wenn du zurückblickst, und wie ist es jetzt?
[Katrin Neudolt]: Natürlich gibt es Unterschiede. Damals, als ich 8 oder 9 Jahre alt war, wurde nicht gebärdensprachlich kommuniziert. Im hörenden Team gab es für mich nie Probleme. Im Sport gibt es klare Regeln, und damit war es auch mit keinen Barrieren verbunden. Wie klare visuelle Bewegungen, welche man übernehmen konnte. Die inhaltlichen Diskussionen waren dann eher etwas, wo ich Informationen verpasste.
Im Profi-Sport geht es viel um Taktik und mentales Training, und diese Inhalte habe ich nicht mitbekommen. Das war uns damals natürlich nicht bewusst. Jetzt, wo ich älter bin, kommuniziere ich vermehrt in Gebärdensprache. Jetzt ist die Kommunikation einfach mehr im Vordergrund, und ich bekomme mehr Infos für die professionelle Ausübung meines Sports. Somit weiß ich einfach viel besser, wie man im Wettkampf professionell und taktisch spielt. Das ist eine Komponente im Hintergrund, die man im Spitzensport einfach braucht. Im jungen Alter, in der damaligen Zeit, war das noch nicht so professionell wie jetzt. Heute weiß ich viel mehr zu Technologie und profitiere vom Austausch und der internationalen Vernetzung. Das ist schon ein Unterschied.
[GW.tv]: Du bist ja regelmäßig bei Wettkämpfen dabei und hast auch schon einiges gewonnen. Doch es gibt ja auch ein paar Mal, wo du verloren hast. Wie bist du in solchen Fällen damit umgegangen?
[Katrin Neudolt]: Also insgesamt habe ich bis jetzt schon mehr Spiele verloren als gewonnen.
[GW.tv]: Ach so, ok.
[Katrin Neudolt]: In Wahrheit war ich, bis ich 25 oder 26 Jahre alt war, immer sehr frustriert, wenn ich verloren habe. Aber im Profi-Sport ist es so, dass im Nachhinein jedes Spiel analysiert werden kann. Man sieht sich dann die Videoaufnahmen an. Zuerst schaut man besonders darauf, was gut war. Natürlich gibt es auch Dinge, die nicht gut gelaufen sind. Das Wichtige ist aber immer, das Positive zuerst zu sagen. Dann sieht man sich die negativen Kleinigkeiten an und schaut gleich, was man verbessern kann.
Sowohl mental, technisch als auch taktisch gibt es da immer Verbesserungspotenzial. Ich selbst analysiere das alles, und dann schaut mein Trainer drüber. Manchmal ist das notwendig, aber nicht immer. Wenn Bedarf ist, setzt man sich mit dem Trainer zusammen und bespricht es nochmal durch. Mittlerweile bin ich auch schon sehr stark in der Selbstanalyse. Früher war das eher nicht so. Da bin ich mit dem Trainer zusammengesessen. So hat sich das entwickelt. Das war die Entwicklung von Anfang bis jetzt. Auch der Umgang mit Fehlern und wie sich die Gebärdensprache integriert hat. Wahnsinnig interessant.
[GW.tv]: Von deinen bisherigen Wettkämpfen, allgemeinen Träumen und Zielen hast du ja schon einiges erreicht. Gibt es hier noch welche, die dir fehlen? Wenn ja, was?
[Katrin Neudolt]: Die wichtigsten Ziele waren die Deaflympic-Medaille und bei einer hörenden EM dabei zu sein. Jetzt habe ich wieder neue Ziele. Bei den Deaflympics habe ich die Silber-Medaille gewonnen. Jetzt möchte ich die Gold-Medaille gewinnen. Das Zweite ist, dass ich mich zum zweiten Mal für die kommende Europa-Meisterschaft der Hörenden qualifiziere. Das wird echt hart für mich, ist aber eine gute Motivation. Noch ein Ziel ist weiter aufzusteigen. Damit kann ich auch zeigen, dass ich nicht mehr so jung bin. Ich bin 35. Trotzdem kann man mit höherem Alter auch noch ein höheres Niveau erreichen. Das möchte ich zeigen.
[GW.tv]: Ja, das ist nicht einfach, auch für den Körper. Ich hoffe, dass der Aufstieg klappt. Dann hätte ich noch eine letzte Frage. Wenn du dir den Nachwuchs anschaust, wie denkst du, dass es für sie in der Zukunft laufen wird?
[Katrin Neudolt]: Ja, es gibt schon ein paar Nachwuchssportler:innen. So 3 oder 4 sind schon da. Die sind auch gut, was ich so gesehen habe. Es ist wichtig, dass sie in hörenden Vereinen dabei sind, da dort eine bessere Qualität angeboten wird. Auch fast jedes Wochenende bei Wettkämpfen dabei zu sein ist wichtig, um mehr positive Erfahrungen zu sammeln. Man muss auch eigene Motivation aufbringen, um voranzukommen.
[GW.tv]: Ja, das ist toll. Ich hoffe, sie haben jetzt auch Vorbilder wie dich. Das ist auch wichtig. Vielen Dank. Unser Spiel vorhin war echt anstrengend! Stimmt’s?
[Katrin Neudolt]: Willst du nochmal?
[GW.tv]: Nein, nein, nein. Vielleicht spielen wir beim nächsten Mal wieder, und dann schlage ich dich.
[Katrin Neudolt]: Ich hab schon Angst.
[GW.tv]: Gut, dankeschön.
[Katrin Neudolt]: Gerne!
[GW.tv]: Tschüss!
[Katrin Neudolt]: Tschüss!