„DIF verdient im Allgemeinen das Wort „Inklusion“ nicht und verdient auch kein Lob von außen dafür, wie sehr sie sich scheinbar „bemüht“ hat.“ So fasst eine Besucherin ihr Erlebnis beim Donauinselfest zusammen. Die Aufregung in der Community ist groß — wir haben einige Meinungen für dich zusammengefasst.
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[Caroline Obermaier]: Ich habe erfahren, dass Pam Eden beim DIF als Deaf Performerin auftreten wird. Deswegen wollte ich natürlich hingehen.
[Nicci Schönbauer]: Ich habe erfahren, dass Pam Eden beim DIF als Deaf Performerin auftreten wird. Deswegen wollte ich natürlich hingehen. Ich habe mitbekommen, dass die Band “No Angels” auf Donauinselfest in Wien kommen wird. Da habe ich mich sehr gefreut, weil ich in meiner Jugendzeit ein großer Fan von den No Angels war. Noch dazu habe ich gesehen, dass Pam Eden als Deaf Performerin dabei sein wird. Sie wird die Lieder der No Angels in Gebärdensprache performen. Das war für mich doppelte Vorfreude. Also eben, weil Gebärdensprache dabei ist und noch dazu meine Lieblingsband. Nach ein paar Tagen habe ich auch erfahren, dass es ein Inklusionskonzert geben wird. Mit großer Überschrift wurde da “INKLUSION” angepriesen. Anfangs hatte ich noch nicht so wirklich Interesse. Dann dachte ich mir, vielleicht besuche ich es doch. Ich kann mir ja mal ansehen, was es dort gibt und wie dort Inklusion umgesetzt wird. Bei einem Inklusionskonzert habe ich mir eine:n ÖGS-Dolmetscher:in auf der Bühne erwartet. Ich ging davon aus, dass Dolmetscher:innen auf der Bühne gebärden, was gesprochen wird. Das war natürlich meine Erwartung, nachdem es um Inklusion ging. Ich schaute nochmal im Programm. Darauf stand von 10-12 Uhr. Das hatte schon einen komischen Anschein, besonders, dass es am Vormittag stattfindet. Das ist für mich schon der erste diskriminierende Punkt. Das heißt die Inklusion ist auf dieses Konzert am Freitagvormittag beschränkt. Und für den Rest ab 12 oder 13 Uhr ist dann keine Inklusion mehr angedacht? Das ist die Uhrzeit, wo es dann erst losgeht mit Party- und Festivalstimmung. Aber ja, das Inklusionskonzert ist schon um 10 Uhr. Am Freitag bin ich ca. um 10:30 Uhr hingekommen. Es begann mit einer Rede. Eine Person im Rollstuhl war auf der Bühne zu sehen. Diese Person hat gesprochen. Ich habe nach ÖGS-Dolmetscher:innen und einem Deaf Space gesucht. Ich schaute mich um, wo ich vielleicht an Infos komme und fand nichts. Für mich war es komisch. Ich hatte rasch das Gefühl, dass ich hier nicht wirklich inkludiert bin. Ich fragte mich wirklich, warum es keine Dolmetscher:innen gab. Ich war bisschen vor den Kopf gestoßen. Der Sänger kam auf die Bühne und hat natürlich auch etwas gesprochen. Pam Eden ist dann auch auf die Bühne gekommen. Sie hat übersetzt, was gesprochen wurde. Ich dachte mir, okay, das ist interessant. In mir ist Wut aufgekommen. Ich fragte mich wieder, warum keine Dolmetscher:innen anwesend waren. Das will sich INKLUSIONS-Konzert nennen? Das ging nach hinten los und ich fühlte mich echt diskriminiert. Es hat mich wirklich wütend gemacht.
[Caroline Obermaier]: Für mich war es leider eine Enttäuschung, nachdem die Bühne sehr weit entfernt war. Ich konnte nichts sehen, da leider nichts von der Dolmetschung auf den Bildschirmen eingeblendet wurde. Auffallend war auch, dass die Sicht auf Pam immer wieder durch die Kamera blockiert wurde. Für mich war das Konzert frustrierend. Ich habe viele Inhalte verpasst. Somit konnte ich es nicht voll genießen. Man hätte es nur genießen können, wenn man sich ganz nach vorne gedrängt hätte.
[Nicci Schönbauer]: Meine Stimmung war dann sowieso schon ganz schlecht, weil mich diese Situation so wütend machte. Deshalb konnte ich auch Pams Performance nicht genießen. Ich konnte kaum hinschauen, weil ich schon so wütend war.
[Caroline Obermaier]: Meine Meinung ist, dass Avatare ein heikles Thema sind. Die Gesellschaft denkt oft, dass Avatare alle Probleme der Gehörlosen-Community lösen können. Das sieht dann nach Inklusion aus, ist es aber nicht. Ein Avatar kann keine menschlichen Gefühle transportieren und kann bspw. auch keine Spezialgebärden. Es sieht mehr nach LBG (Lautsprachbegleitenden Gebärden) aus, und wirkt steif. Es nicht greifbar und ist somit für mich keine gute Alternative. Der Einsatz von Avataren bei wichtigen Dingen, wie Konzerten oder Besprechungen sehe ich eher als Gefahr.
[Nicci Schönbauer]: Insgesamt gab es nur zwei Bildschirme, je einen links und rechts von der Bühne. Dort wurde der Avatar für die Lieder eingeblendet. Schon beim ersten Lied waren die Bewegungen des Avatars äußerst schlapp und energielos. Einerseits habe ich nichts verstanden. Anderseits fehlte auch der Blickkontakt und Bezug zum Publikum. Bei Pam, die auf der Bühne live performte, war der persönliche Bezug und Blickontakt mit dem Publikum da. Beim Avatar hingegen, fühlte man sich wirklich abgeschnitten vom Geschehen. Da entstand keinerlei Verbindung oder Stimmung. Also insgesamt, hat mir die Performance des Avatars nicht gut gefallen. Obwohl ich im Hinterkopf hatte, dass Anja, die selbst gehörlos ist, bemüht war das Projekt gut umzusetzen. Es ist auch wichtig, dass gehörlose Personen mitarbeiten. Trotzdem muss ich zusammenfassend sagen, dass hier etwas gewaltig schief gegangen ist.
[Caroline Obermaier]: Wenn man Pam, die Deaf Performerin, und den Avatar vergleicht, ist der Unterschied enorm. Pam zeigt Mimik, Körpereinsatz und bewegt sich dynamisch und frei. Der Avatar war sehr statisch und ohne Sprachrhythmus. Bei Pam wurde man durch die Interpretation und Darstellung der Liedtexte richtig mitgerissen. Beim Avatar empfand ich es mehr als LBG, also ein Aneinanderreihen von einzelnen Worten. Es gab keinen Rhythmus. Man wurde nicht mitgerissen. Naja und wenn plötzlich der Strom ausfällt – aus welchen Gründen auch immer, dann ist der Avatar auch weg. Pam kann keinen Stromausfall haben. Für mich ergeben da schon einige Unterschiede. Pam weiß einfach, wie sie die Gehörlosencommunity mit ihrer Performance erreicht und für Stimmung sorgt. Das trägt dann auch dazu bei, dass überhaupt gehörlose Personen hinkommen. Wenn wir wissen, da ist Gebärdensprache dabei und alles 3D ist, dann ist die Performance einfach viel mitreißender. Es ermöglicht ein viel besseres Eintauchen in die Musikwelt. Das geht bei einem Avatar nicht!
[Oliver Suchanek]: Für mich ist ganz klar das Problem, dass der Avatar riesengroß eingeblendet wurde. Er war auch aus der Ferne gut zu erkennen. Die reale Deaf Performance war daneben wirklich verschwindend klein. Naja, das ist schon mal nicht gleichberechtigt. Was Form und Gestaltung betrifft, finde ich, war auch manches unglücklich gewählt. Der Gebärdensprach-Avatar trug ein weißes T-Shirt. Das war einfach viel zu wenig Kontrast. Naja, dann war der Avatar noch dazu ein weißer CIS-Mann, der da groß repräsentiert wurde. Dann wurde noch der hörende Sänger auf dem zweiten Bildschirm groß eingeblendet. Das ist ja auch nicht fair. So viel zu Inklusion.
[GW.tv]: Auf Instagram hat uns „jersoom“ geschrieben:
„Ich war am Samstag dort, und leider war es keine gute Erfahrung für mich. Inklusion war praktisch nicht vorhanden. Offenbar denken sie, es reicht aus, Pam einfach nur irgendwo stehen zu lassen, um Inklusion zu erfüllen. Meine Kritikpunkte sind:
– Ich habe ziemlich weit hinten, vor lauten Leuten, gestanden und konnte Pam aus der Entfernung kaum sehen.
– Auf keinen Bildschirmen wurde sie gezeigt, es waren immer nur die Sänger:innen zu sehen.
– Von der Bühne aus stand Pam an einer Seite, die von einer Kamerastange verdeckt wurde. Warum stand sie dann nicht auf anderer Seite?
– Die Moderationen wurden nicht in ÖGS übersetzt.
– Zu den Avataren kann ich natürlich auch nichts Positives sagen.
Ahja, eine Deaf-Space wäre dort auch sicher sehr sinnvoll“
[Caroline Obermaier]: Allem voran wünsche ich mir, dass es am DIF einen Deaf oder Sign Space gibt. Von dort aus könnten die Besucher:innen, die Gebärden gut sehen, weil es nah bei der Bühne ist.
[Nicci Schönbauer]: Das wichtigste ist der Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher:innen. Wenn man sich schon so groß INKLUSION anheftet, dann müssen auch Dolmetscher:innen vorhanden sein. Ohne Gebärdensprachdolmetschung findet keine Inklusion statt.
[Caroline Obermaier]: Ich finde es wäre noch besser, taube Dolmetscher:innen einzusetzen. Das wäre ein ganz starkes Zeichen für Inklusion. Ich denke, es wäre auch gut, wenn ein Bildschirm ausschließlich Pam, bzw. die Deaf Performance zeigt. Dann kann man die Performance auch gut sehen. Wenn es ständig den Bildschirm wechselt, muss man hin und her schauen. Oder noch schlimmer, es wird gar nicht eingeblendet. Nur so als Idee: Man könnte auch Westen von Subbar dazuholen. Durch Vibration ist dann die Musik am Körper spürbar. Das ist auch eine tolle Möglichkeit, wie für uns Zugang geschafft werden kann. Also das waren meine Punkte. Naja und ganz klar ist, dass die Sicht auf die Deaf Performance nicht durch die Kamera gestört werden darf.
[Nicci Schönbauer]: Wir gehörlose Personen arbeiten am Vormittag – so wie jeder normale Mensch. Wir wollen genauso am Abend feiern gehen oder Musik genießen – nicht am Vormittag! Es wird da Inklusion angestrebt, aber Inklusion bedeutet, in die Gesellschaft inkludiert zu sein. Das steht im Widerspruch dazu, extra ein Konzert für Menschen mit Behinderungen anzubieten. Dass man da ein eigenes Inklusionskonzert dafür braucht, ist für mich absolut sinnbefreit.
[Oliver Suchanek]: Es ist auch wichtig, sich hier die Metaebene anzusehen. Dazu lohnt es sich, einen Blick auf die Abläufe im Hintergrund zu werfen. Da geht es darum, wer Entscheidungen trifft,
wem Macht zukommt und wer in der Organisation bestimmt. Und im Falle des DIF waren das nur hörende Personen. Gehörlose Personen wurden in Entscheidungsprozesse nicht miteinbezogen. Das äußerst sich bswp. daran, dass es keinen Deaf Space gab. Es wurden keine Dolmetscher:innen eingesetzt. Die Reden und die Moderation auf der Bühne blieben ohne Dolmetschung. Für mich zeigt das ganz klar, dass hörende Personen
bei Inklusion nur an gebärdensprachliche Schnelllösungen denken. Dauerhafte Lösungen, die für nachhaltige Inklusion sorgen, kommen dabei nicht auf. Der Grund dafür ist fehlender Respekt gegenüber tauben Menschen und der Gehörlosenkultur. Es fehlt die Miteinbeziehung und Mitgestaltung von gehörlosen Personen. Das war wieder ein Beispiel dafür, wie hörende Personen Inklusion schnell umsetzen wollen. Dafür ist Gebärdensprache alleine nicht genug. Dazu braucht es dauerhafte, nachhaltige Lösungen für eine echte Inklusion. Dazu muss eine Miteinbeziehung in alle Prozesse der Organisation und Entscheidungsfindung Da geht es nicht darum, dass wir Prozesse begleiten oder helfen.passieren. Es braucht volle Mitgestaltung und Mitentscheidung. Das wiederum braucht ein Budget, damit gehörlose Personen Veranstaltungen nach ihrem Bild von Inklusion umsetzen können. Ja, deshalb stehe ich dem ganzen sehr kritisch gegenüber. Verantwortliche Personen sollen sich ihrer Privilegien und Machtpositionen bewusst sein. Sie sollen sich überlegen,
wie sie diese Macht abgeben können. Und das ist notwendig, dass das in Zukunft passiert!
[Caroline Obermaier]: Wichtig ist auch, sich das Ziel von Inklusion bewusst zu machen. Und da wünsche ich mir für die Zukunft, dass die Leute endlich verstehen, was wahre Inklusion bedeutet. Inklusion gehörloser Menschen heißt nämlich, hinzusehen, was wir wirklich brauchen und das entsprechend anzubieten.Wir brauchen keinen Avatar oder zwischendurch bisschen Einbeziehung – wir brauchen vollen Zugang!