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DGB-Präsident Ralph Raule: Neue Aufgaben und die Entschuldigung von Hamburg

Seit November 2024 ist Ralph Raule der Präsident vom deutschen Gehörlosenbund. Beim Bildungskongress war er bei verschiedenen Diskussionsrunden und Vorträgen auf der Bühne zu sehen. Wir haben mit ihm über die neuen Herausforderungen als Präsident und die offizielle Entschuldigung von der Stadt Hamburg an die Gehörlosen-Community gesprochen.

 

*Alternativlink zum Video: YouTube

 

Die Aktionswoche auf Gebärdenwelt.tv:

 

Transkript: 

[Ralph Raule]: Hallo! Mein Name ist Ralph Raule und ich bin Präsident des Deutschen Gehörlosen-Bundes.

[GW.tv]: Sie sind Ende letzten Jahres zum Präsident vom Deutschen Gehörlosen-Bund gewählt worden. Was war Ihre erste Aufgabe?

[Raule]: Die erste Aufgabe war ehrlich gesagt mir einen Überblick über den Status quo zu verschaffen. Auch die Übergabe hat stattgefunden. Die Kulturtage 2024 in Friedrichshafen habe ich übernommen. Der Projektabschluss hat noch gefehlt und ich musste schauen wie die finanzielle Situation war, das war eine Herausforderung. Für mich als neuen Präsident war das nicht einfach. Zusätzlich muss auch alles aus der letzten Zeit aufgeräumt werden. Da liegt noch viel Arbeit vor uns: Projektabschlüsse, Projektanträge, Berichte, uvm. Momentan habe ich auch noch kein klares Bild über die finanzielle Situation. Ich glaube zwar, dass es finanziell gesehen gut läuft, aber als Präsident will ich mich absichern.

[GW.tv]: Das sind sicher keine einfachen Schritte.
Die Stadt Hamburg hat die systematische Sprachunterdrückung von Gebärdensprachen als strukturelle Gewalt anerkannt und sich formell dafür entschuldigt. Was bedeutet das für die Gehörlosen-Community?

[Raule]: Zuerst muss ich klarstellen, dass sich Hamburg zwar entschuldigt hat, aber das ist nur ein Bundesland von vielen. Von den 16 deutschen Bundesländern hat sich nur eines entschuldigt. Aber das war ein wichtiger Schritt. Davor gab es immer Ausreden und niemand hat das Thema Gebärdensprache richtig ernst genommen. Gebärdensprache wurde immer als Hilfsmittel oder als Kommunikationshilfe angesehen, obwohl die Deutsche Gebärdensprache bereits seit dem Jahr 2002, also schon wirklich lange, gesetzlich anerkannt ist. Trotzdem scheitert es an der Umsetzung. In Hamburg wurde in einem Ausschuss diskutiert. Gehörlose haben dort über ihre Erfahrungen erzählt. Das hat einen großen Schock ausgelöst. Dieser Schock hat das Bewusstsein geschaffen. Das war ein wichtiger Schritt für die Anerkennung der Sprachdeprivation. Jetzt geht es weiter, weil wir Beweise gesammelt haben.

Hamburg war das erste Bundesland, aber nach und nach müssen auch alle anderen Bundesländer nachziehen. Dann muss die Bundesregierung das auch anerkennen. Da steht uns noch ein großer Schritt bevor.

[GW.tv]: Puh, das sind viele große Schritte. Was ist das Thema Ihres Vortrages?

[Raule]: Worüber es in meinem heutigen Vortrag geht? Da werde ich über die Gesetzeslage referieren. Wir stoßen auf viele Barrieren, obwohl es entsprechende Gesetze gibt. In Deutschland gibt es wirklich viele Gesetze, aber die Umsetzung ist eine große Herausforderung. Dass die Umsetzung schwierig ist, hat glaube ich, mit der Anerkennung der Gebärdensprache zu tun. Das war immer alles sehr schwammig und unklar.
Das Problem ist, dass seit der Anerkennung vieles schiefgelaufen ist. Ich glaube, das Problem bei der Umsetzung liegt in der Haltung. Ja, wir machen das schon irgendwie, aber es wird nichts gemacht. Das Thema wurde nicht ernst genommen, das ist mein Gefühl bis jetzt.

[GW.tv]: Kein einfaches Thema für einen Vortrag. Was sind die Unterschiede zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz?

[Raule]: Ich glaube, in Deutschland und in Österreich ist es so – in der Schweiz gab es noch keine Anerkennung – also in unseren beiden Ländern ist es so, dass wir an der Umsetzung arbeiten. In der Schweiz ist das System ganz anders. Nur die Umsetzung ist so problematisch. Die heutigen Vorträge habe ich noch nicht gesehen, vielleicht gibt es neue Entwicklungen. Da sieht man dann die Unterschiede.

[GW.tv]: Sie sind im Deutschen Gehörlosen-Bund tätig. Was ist das nächste große Projekt?

[Raule]: Das erste Ziel ist – wie bereits erwähnt – die Anerkennung der Sprachunterdrückung und die Entschuldigung dafür. Das zweite Ziel ist die bundesweite Anerkennung der Gebärdensprache als Minderheitensprache. Die Sprachförderung muss forciert werden. Ich hoffe, dass diese Anerkennung als Minderheitensprache zur Umsetzung von Gesetzen und zum Schutz der Sprache führt. Wir müssen allgemein die Anerkennung vorantreiben. Ich wünsche mir auch, dass hörende Menschen Gebärdensprache lernen. Nicht nur jene Menschen, die Gehörlose in ihrem Umfeld haben, sondern alle. Das ist mein Ziel. Gebärdensprache soll verbreitet werden. Jetzt lernen viele Kinder als Zweitsprache Englisch. Das ist ganz selbstverständlich. Warum kann Gebärdensprache nicht auch als selbstverständlich gesehen werden? Dann wäre es leichter für uns. Ich hoffe, dass wir etwas bewirken können.

[GW.tv]: Vielen Dank für das Gespräch! Das war toll, danke.

[Raule]: Danke.

Foto/Video Credits: Gebärdenwelt.tv
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