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Aktivist:in Xenia Dürr zu ÖGS-Videos vom Diversity Ball

Gleich nach dem ersten Diversity Ball-Posting hat sich Aktivist:in und Künstler:in Xenia Dürr zu Wort gemeldet. Xenia beschäftigt sich viel mit Audismus und sieht in dem Vorfall keinen Einzelfall, sondern ein systematisches Problem im Umgang mit gehörlosen Menschen und ÖGS. In einer exklusiven Video-Botschaft fasst Xenia die eigenen Gedanken darüber für uns zusammen.

 

*Alternativlink zum Video: YouTube

 

Transkript: 

[Xenia Dürr]: Mein Name ist Xenia, zu meiner Position: Ich bin weiß, tTaub, und habe einen österreichischen Pass, ich bin Aktivist:in und gebe Workshops für horende und t*Taube Menschen und mache Foto-Ausstellungen zur Audismuskritik.

[GW.tv]: Was war deine erste Reaktion, als du von diesem Vorfall mit dem Diversity Ball erfahren hast?

[Xenia]: Meine erste Reaktion zu diesem Vorfall war Enttäuschung und Scham. Ich hab mir gedacht, wir sind im Jahr 2025 und es wird schon so viel um Inklusion und Sichtbarkeit gekämpft, noch dazu, dass eine hörende Person die Gebärdenvokabeln zeigt. Da konnte ich nicht still bleiben. Ich musste mich dringend zu Wort melden, weil es mir wichtig war Bewusstsein zu schaffen und auch die tTaube Community zu empowern und sie zu ermutigen, auch aufzustehen und ihre Meinung auch zu sagen.

[GW.tv]: In deiner Stellungnahme dazu hast du gesagt, dass ein Muster von hörenden Menschen und ÖGS in Österreich immer wiederholt wird. Wie nimmst du diese Situation wahr?

[Xenia]: Dieses Muster wird unglaublich oft wiederholt – das beobachte ich schon seit Jahren. Mein Bauchgefühl sagte, dass irgendwas nicht stimmt. Man muss sich nur die Institutionen, Forschung, Firmen, und leider auch Verbände anschauen. Wer hat die leitenden Funktionen oder enormen Einfluss? Sie sind alle hörend. Ich frage mich immer, wurde da wirklich im Hintergrund mit t*Tauben Communities zusammengearbeitet und gemeinsam ein Konzept erstellt?
Ich habe das Situation auch mitbekommen, dass es auch gehörlose Menschen mit dieser Ausbildung gibt, und sie wünschen sich, dass sie auch Teilhabe haben und Feedback geben, damit es umgesetzt werden kann. Aber sie werden daran gehindert. Die Hörenden haben viel Einfluss. Sie machen damit Geld.
Stichwort: PLOD. PLOD ist eine englische Abkürzung für “People living off Disabled oder Deaf People”. PLOD beschreibt Situationen, in denen nichtbehinderte Menschen behinderte Menschen ausnutzen und davon profitieren, während behinderte oder tTaube Menschen nichts bekommen. Sie werden nicht gleichberechtigt.

[GW.tv]: Du beschreibst dieses Machtverhältnis als epistemische Gewalt. Was heißt das genau?

[Xenia]: Epistemische Gewalt – gehen wir mal einen Schritt zurück. Wir kennen alle ja das Wort „Gewalt“. Viele denken sofort an: Schläge, Anschreien, Schimpfwörter. Gewalt hat verschiedene Formen, zum Beispiel: sexuelle Gewalt, körperliche Gewalt, verbale Gewalt, usw. oder eben auch epistemische Gewalt. Schauen wir uns die zwei Wörter im Begriff “epistemische Gewalt” an. Epistemisch bedeutet Wissen, Zugang zu Wissen, Informationen, Erfahrungen, usw. Gewalt ist jede Form von Unterdrückung und Macht. Der Begriff hat einen starken Zusammenhang mit der Struktur des Systems. Das hängt auch damit zusammen, wer Entscheidungen trifft. Personen, die Wissen und Erfahrung haben? Personen, die Wissen und Erfahrung haben, um deren Lebensrealität es geht, werden abgeblockt. Es hat nicht den gleichen Stellenwert. Es ist auch die Frage, wer die Aufmerksamkeit bekommt und wer nicht.
Ein Beispiel: Menschen mit Behinderung oder Gehörlose, die in einer Institution arbeiten. Dann gibt es eine Situation auf Social-Media, wo Videos von betroffenen Personen veröffentlicht werden. Sie äußern ihre Meinung zu dieser Situation. Die Mitarbeiter:innen stimmen diese Meinung zu und werden sich der Situation bewusst. In der Institution tauschen sich die Mitarbeiter:innen über die Situation aus. Plötzlich sagen die Führungskräfte, dass die Mitarbeiter:innen einen Rufmord begehen! Ich frage mich, wo bleiben die Meinungsfreiheit und die Rechte von den Mitarbeiter:innen? Sie dürfen etwas sagen, wenn die Situation diskrimierend ist oder die Mitarbeiter:innen sich mit der Situation unwohl fühlen. Die Führungskräfte sagen, sie dürfen das nicht. Das ist schon eine Form “Epistemische Gewalt” – sie werden übergangen.
Diese Form der Gewalt betrifft marginalisierten Gruppen, z.B. BIack/Indigenous/People of Color, Queere, t*Taube, behinderte Menschen, FLINTAs, und Frauen. Ihr Wissen, ihre Erfahrungen, Lebensrealitäten werden ausgegrenzt und nicht ernst genommen.
Anderes Beispiel zum Thema “leitenden Funktionen”. Meistens sind leitenden Personen hörend und nicht behindert. Sie verwalten und entscheiden alles. Die tTauben Communities oder Menschen mit Behinderung haben keine Teilhabe. Ihre Erfahrungen, Wissen und Meinungen sind nicht dabei! Das ist ein Zeichen von epistemischer Gewalt.

Zum Abschluss möchte ich fünf Forderungen stellen:

1. Schluss mit symbolischer Inklusion – echte Teilhabe durch Community-Führung!

2. T*taube Menschen in Führungspositionen – und zwar jetzt.

3. Finanzielle Mittel dorthin, wo Communities arbeiten – nicht wo über sie gesprochen wird.

4. Epistemische Gewalt benennen, sichtbar machen, und beenden.

5. Communities an den Anfang jeder Entscheidung setzen

Foto/Video Credits: Xenia Dürr / Gebärdenwelt.tv
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