Meine Mutter ist eine richtige Zauberin!, dachte Lisa, als sie noch kleiner war. Wenn sie zur Haustür ging und sie öffnete, standen draußen Onkel Max, Tante Nina, Opa, Oma oder Papa. Lisa wollte auch gerne zaubern können. Aber immer wenn sie die Haustür öffnete, war dort niemand. Vielleicht funktioniert der Zaubertrick nur, wenn ich mir ganz fest wünsche, dass jemand vor der Tür steht, dachte sie. Lisa trat daher vor die Tür, schloss die Augen und stellte sich ein Mädchen vor, das mit ihr spielen mochte. Dann öffnete sie die Haustür und schaute vorsichtig hinaus. Doch sie entdeckte niemanden. Der Zaubertrick hatte nicht funktioniert.
Heute beschließt Lisa auf den Spielplatz zu gehen. Dort sind immer viele Kinder und vielleicht findet sie jemanden, der mit ihr spielt. Sie setzt sich auf eine Bank und sieht den Kindern beim Fußballspielen zu. Aber niemand beachtet sie.
Doch plötzlich schreckt sie aus ihren Gedanken auf: Die Kinder deuten wild mit den Händen und rufen etwas. Sie versteht nicht, was sie von ihr wollen. Ein Junge, den Lisa noch nie gesehen hat, kommt auf sie zu. „Warum schießt du den Ball nicht zurück?“, schreit er sie verärgert an. „Lass sie! Die ist doch dumm und versteht überhaupt nichts!“, ruft ein Mädchen. „Ich habe den Ball nicht gehört und nicht gesehen“, sagt Lisa mit ihren Händen. Doch die Kinder verstehen sie nicht. „Siehst du“, ruft das Mädchen, „die ist dumm und deutet nur komisch herum“.
Plötzlich beginnt ein Junge aus der Gruppe zu lachen und mit seinen Händen zu sprechen: „Hallo, ich bin Thomas. Wir sind vor kurzem hierher gezogen.“ „Na hallo!“, ruft ein anderer, „jetzt spinnt der Neue auch noch!“ „Das ist kein dummes Herumgezeige! Wir sprechen miteinander!“, sagt Thomas mit fester Stimme und gleichzeitig mit seinen Händen.
Wir sprechen mit den Händen
Franz-Joseph Huainigg
Illustrationen: Verena Ballhaus
Copyright (C) 2005 by Annette Betz Verlag
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Verlag Carl Ueberreuter, Wien – München
ISBN 3-219-11218-8