Letzte Woche war die Generalversammlung und der Weltkongress der WFD. Es war eine spannende Woche voller Neuigkeiten. Lukas Huber von dem ÖGLB fasst uns die wichtigsten Ereignisse zusammen.
Transkript:
Lukas Huber: Hallo!
Ich bin Lukas Huber, Generalsekretär vom Österreichischen Gehörlosenbund. Ich werde jetzt eine kurze Zusammenfassung vom Weltkongress in Jeju, Südkorea geben.
Die Konferenz dauerte insgesamt 5 Tage. Heute möchte ich nochmal zusammenfassend darüber berichten. Ich habe mir da einiges notiert und das werde ich jetzt in ÖGS vortragen.
Am ersten Tag wurde der WFD-Kongress mit einer Eröffnungsfeier eingeleitet. Es waren ca. 2000 Personen aus der ganzen Welt dabei. Darunter waren natürlich auch einige Teilnehmer:innen aus Südkorea. Es waren etwa 80 verschiedene Länder bei der Eröffnungsfeier vertreten.
Insgesamt haben sich ca. 30 Dolmetscher:innen für die verschiedenen nationalen Gebärdensprachen eingefunden. Sie dolmetschten die Inhalte für Personen, die keine IS können, in die jeweilige nationale Gebärdensprache.
Am zweiten Tag starteten dann die Vorträge zu unterschiedlichen Themen. Den ersten Vortrag hielt die Präsidentin des ukrainischen Gehörlosenbundes. Sie macht sich für Bildungsthemen stark.
Sie setzt sich für die Verbreitung eines Dolmetschservices in der Ukraine sowie Öffentlichkeitsarbeit ein. Auch die Versorgung geflüchteter Menschen aus der Ukraine spricht sie an.
Weitere Themen waren humanitäre Hilfe und psychologische Hilfe in Krisenzeit. Insbesondere ging es um gehörlose freiwillige Helfer:innen in der Ukraine und deren Einsatz.
Weiters wurde der Angriff des russischen Militärs auf den Osten der Ukraine thematisiert. In diesem Zusammenhang sind etwa 6.000 gehörlose Personen aus der Ukraine geflüchtet. Innerhalb der Ukraine gibt es etwa 520 taube Binnenflüchtlinge. Im nächsten Themenblock ging es um Australien und Kanada.
Das Thema des gemeinsamen Vortrags waren indigene Völker und indigene Gebärdensprachen. Dabei ging es um deren Verwendung, Schutz und Anerkennung als Menschenrecht.
Auch die Menschenrechtsdeklaration über die Rechte indigener Völker wurde besprochen. In diesem Sinne sollen Pflege und Erhalt indigener Gebärdensprachen forciert werden.
Dabei ging es insbesondere um den Erhalt und Schutz der Gebärdensprachen der Aborigines in Australien. Nach den Vorträgen folgte ein Wikinger Abend.
Dazu trafen sich alle skandinavischen Länder: Schweden, Norwegen, Island, Finnland, Dänemark, die Faröer Inseln und Grönland. Also insgesamt sechs Nationen, die sich da trafen.
Diese Gemeinschaft wurde im Jahr 1907 gegründet. Das ist ein Netzwerk und nennt sich Nordic Council of the Deaf. Der Name wurde seit Gründung mehrmals geändert. Der heutige offizielle Name besteht seit 1972. Das Ziel hinter diesem Netzwerk sind regelmäßige Treffen.
Zweimal jährlich treffen sich die Gehörlosenverbände der jeweiligen nordischen Nationen. Bei den Treffen tauschen sich die Teilnehmer:innen über die Situation ihrer eigenen Länder aus. Außerdem gibt es zum Nordic Council of the Deaf auch eine eigene Jugendorganisation. Das ist der Nordic Council of the Deaf Youth.
Alle vier Jahre übernimmt eines der Länder die Organisation von Veranstaltungen, Festivals, etc. Die sechs Mitgliedsstaaten wechseln sich da mit der Organisation ab. Die Stimmung beim Wikinger Abend war sehr gut und es fand ein reger Austausch statt.
Auch der dritte Tag wurde mit Vorträgen begonnen. Eine Person aus Deutschland und eine Person aus der Türkei hielten gemeinsam einen Vortrag. Es ging um die Situation ukrainischer Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind. Der Fokus lag darauf, wie die Kommunikation mit den Sozialarbeiter:innen aus Deutschland funktionieren hat. Es wurde über Schwierigkeiten und Lösungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang berichtet. Das war ein sehr interessanter Vortrag.
Dann gab es einen Vortrag aus den Niederlanden. Dabei ging es um die Entstehung eines Taschenbuchs in den Niederlanden. Darin werden die Erfahrungen gehörloser Menschen in Bezug auf die Kommunikation in Krisensituationen geschildert.
Ein Beispiel ist die Explosion eines Schiffs in Rotterdam. Da wurden die umliegende Bewohner:innen aufgerufen, alle Fenster zu schließen. Gehörlose Personen erreichte diese Information nicht und die Fenster blieben geöffnet. Der gefährliche Rauch konnte so eindringen.
Ein weiteres Beispiel sind die Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Krise, welche oftmals unzulänglich kommuniziert wurden. Die Information, man solle zu Hause bleiben, erreichte gehörlose Menschen oft nicht. Ein Grund für diese Kommunikationsprobleme ist, dass im Fernsehen keine Gebärdensprachdolmetscher:innen eingeblendet wurden. Eine gehörlose Person griff diese Thematik dann auf und machte ein Plakat. Als gerade ein:e Reporter:in live im Fernsehen war, nutze die gehörlose Person die Gelegenheit.
Die Person nahm schnell einen Zettel zur Hand und schrieb darauf: “Hallo, ich bin gehörlos, ich brauche Gebärdensprachdolmetscher:innen.” Mit diesem Plakat stelle sich die gehörlose Person hinter die:den Reporter:in und hielt es in die Kamera. Die Aufnahme ging viral und die niederländische Regierung reagierte beschämt.
Für die Regierung war es ein Denkanstoß, dass Krisenkommunikation für gehörlose Menschen barrierefrei sein muss. Daraus entwickelte sich dann eine Initative des Zentrums für Niederländische Gebärdensprache. Und so wurde ein Taschenbuch herausgegeben.
Es enthält eine Anleitung, wie die Regierung Pressekonferenzen in Krisensituationen barrierefrei gestalten kann.
Kommen wir zu den nächsten Vorträgen. Weiters wurden zahlreiche Vorträge zu diversen Themen vom WFD selbst angeboten. Der Bericht über das Thema Hören der WHO aus dem Jahr 2021 wurde aufgegriffen. Von der IDA, International Disability Alliance, gab es einen Bericht über das Thema Inklusive Bildung 2020. Dazu wurden von nationalen Gehörlosenorganisationen weltweit Tipps zur Verbesserung inklusiver Bildung gesammelt.
Der WFD hat sich auch auf eine Gedenkveranstaltung von der UNESCO bezogen. Die Gedenkveranstaltungen nennt sich UNESCO Memory of the World. Dabei geht es um ein internationales Register des Gedächtnisses der Welt. Der WFD wählte vier Bücher, welche geschichtlich besonders wichtig für die Gehörlosen-Community sind, aus. Drei davon beinhalten Berichte über die internationale Lehrerkonferenz in Mailand im Jahr 1880. Das erste Werk ist in englischer, das zweite in französischer und das dritte in italienischer Sprache. Im vierten Buch wird die internationale Konferenz in Vancouver, Kanada im Jahr 2010 behandelt. Dort wurden die Beschlüsse aus 1880 ganz klar abgelehnt. Aus dieser Konferenz entstand dann eben dieses vierte Werk. Zudem wurde dieser Bericht von zahlreichen gehörlosen und hörenden Personen unterschrieben. Diese 5.200 Unterschriften wurden in das Werk mit aufgenommen.
Die ersten drei Werke über den Mailänder Kongress sind in der Universitätsbibliothek der Gallaudet Universität archiviert. Das vierte Werk befindet sich in Finnland im Archiv des Gehörlosenverbandes. Dann bat der WFD-Präsident Joseph Murray, den Raum zu verdunkeln. Das Publikum wurde aufgefordert, die Taschenlampe am Handy einzuschalten und in die Höhe zu halten. Das war ein ganz besonderer Moment. Es war ein sehr schönes Zeichen, um der tauben Opfer zu gedenken.
Kommen wir zum nächsten Vortrag. Bei der Generalversammlung des WFD wurde eine Deklaration über die Rechte gehörloser Kinder beschlossen. Darin enthalten waren zehn Artikel. Diese Kinderrechte wurden im Rahmen eines Vortrags präsentiert. Wir als Österreichischer Gehörlosenbund werden diese Informationen ins Deutsche und die ÖGS übersetzen.
Außerdem gab es noch Vorträge von Amerika über das Thema Intersektionalität. Dabei geht es um Folgendes: Jeder Mensch, egal wer, hat gewisse Erfahrungen in seinem Leben gemacht. Jede:r trägt mehrere Identitäten in sich und kann somit auch mehrfach Diskriminierung erfahren. Außerdem gab es einen Vortrag, wo jemand aus UK und Belgien gemeinsam berichteten. Es ging um Gebärdensprache, Lautsprache und Schriftsprache. Der Schwerpunkt war hierbei auf Formen der maschinellen Übersetzung gelegt. Es wurde eine Zukunftsvision zu Umsetzungsmöglichkeiten vorgestellt. Das Ziel ist eine mobile App, die zwischen diesen unterschiedlichen Sprachmodi übersetzen kann. Ein europaweites Projekt wird diesbezüglich angestrebt.
Außerdem gab es noch einen weiteren Vortrag von einer gehörlosen Frau aus Frankreich. Sie berichtete darüber, wie inklusive Bildung mit sehr hoher Qualität geschehen kann. Ich möchte das kurz zusammenfassen. Die Situation für gehörlose Schüler:innen ist in Frankreich bzgl. Mainstream-Schulen und Spezialschulen besonders spannend.
Ein weiterer Vortrag wurde von zwei Österreicherinnen gehalten. Verena Krausnecker und Sandra Schügerl referierten zum Thema Avatare. Dem Vortrag war ein wissenschaftliches Projekt vorangegangen. Im Rahmen des Vortrags wurden die Ergebnisse präsentiert.
Am letzten Tag gab es noch eine Closing Ceremony, also eine Abschlussfeier. Der WFD-Präsident Joseph Murray fasste hier noch einmal die vorangegangenen fünf Kongresstage zusammen. Insgesamt fanden sich über 2.000 Menschen aus 101 Ländern hier im ICC zusammen. Es wurden dann auch unterschiedliche Preise verliehen. Diese gingen an verschiedene Personen und Organisationen. Eine der Personen war David Buxton aus England. Er setzte sich nämlich für die Anerkennung der Britischen Gebärdensprache (BSL) ein. Er war dabei auch erfolgreich.
Auch ein Lehrer aus Singapur erhielt einen Preis. Lim Chin Heng unterrichtet gehörlose Personen. Die Schüler:innen erzielten durch ihn große Lernerfolge. Daher gebührt ihm großer Dank und Respekt für seinen Einsatz.
Auch der ukrainische Gehörlosenverband erhielt einen Preis. Hervorgehoben wurde damit das Engagement in der vergangenen Zeit, angesichts des russischen Angriffskrieges. Ein weiterer Preis ging an den Franzosen David De Keyzer. Ihm wurde für die Durchführung und Organisation von Clin d’Oeil in Reims gedankt. Auch für die Organisation internationaler Veranstaltungen gebührt ihm viel Respekt. Bspw. setzte er sich in Israel und Amerika bei Veranstaltungen ein und legte den Fokus auf Kulturvermittlung.
Außerdem wurde der thailändische Verband ausgezeichnet für die Durchführung der WFD-Konferenz 2021. Der letzte große Preis ging an den Koreanischen Gehörlosenverband. Man bedankte sich für die Organisation der Generalversammlung und des Kongresses.
Als Abschluss bedankte man sich beim alten Vorstand des WFD und des WFDYS und verabschiedete diese. Der neue, jedoch selbige Vorstand wurde dann begrüßt. Er wird sich jetzt in den kommenden vier Jahren der Aufgabe annehmen. Das war ein Kurzbericht über den WFD-Kongress hier aus Jeju, Südkorea. In Kürze gibt es dann noch weitere Berichte zum Thema. Tschüss!