Im August 2023 wurde Österreich von der UNO geprüft. Das Thema? Die Einhaltung der Behindertenrechtskonvention. Es gab seit der letzten Prüfung nur kleine Fortschritte und sogar Rückschritte. Der Monitoringausschuss kontrolliert, ob Österreich seinen Verpflichtungen tatsächlich nachkommt. Wir haben mit Vorstandvorsitzenden Tobias Buchner über den aktuellen Stand gesprochen.
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Transkript des Interviews
GW.TV: Herr Buchner, letztes Jahr war die große Staatenprüfung. Was ist in der Zwischenzeit mittlerweile passiert?
Tobias Buchner: Ja, bei der Staatenprüfung im letzten Jahr wurde ja sehr, sehr viel moniert bezüglich der Umsetzung von der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung.
In den Handlungsempfehlungen – die ja quasi das Produkt der Prüfung ist – wurde der Bereich der Deinstitutionalisierung als auch der inklusiven Bildung als “urgent Issues” benannt (Anm. dringliche Themen).
Auch in der Handlungsempfehlung wurde ja, eine ungewöhnlich dramatische, scharfe Sprache verwendet, die den üblichen Diplomatensprech weit übersteigt. Also ich glaube, die eine Formulierung war: “the committee is gravely concerned” (Anm. die Komitee ist schwerst besorgt), also was wirklich sehr sehr ungewöhnlich ist.
Das war eigentlich eine sehr, sehr klare Aufforderung an Österreich, insbesondere an die politischen Entscheidungsträger:innen, hier Nachbesserung zu betreiben bzw. hier einen stringenten Prozess der Umsetzung in den Bereichen Deinstitutionalisierung und inklusiver Bildung voran zu treiben.
Man muss sagen, es ist seitdem nicht allzu viel weitergegangen.
Insgesamt würde ich sagen, dass diese Handlungsanweisung oder Handlungsempfehlungen von den Vereinten Nationen bisher in Österreich nicht aufgegriffen wurden.
Warum?
Weil, wenn man es wirklich konsequent aufgegriffen hätte, hätte man eigentlich sofort, die kam ja im September raus, man hätte im Oktober anfangen können, ein entsprechendes Komitee einzurichten.
Eines, das auch auf nationaler Ebene, aber auch mit den Entscheidungsträger:innen aus den Ländern verbunden ist, um hier bei beiden Thematiken, die ja auch vor allen Dingen die Länderebene betreffen, hier quasi in medias res zu gehen und hier weiter Sachen voranzutreiben.
GW.TV: Beim Treffen in Genf gab es Uneinigkeit, wie zwingend oder wie dringend diese Handlungsempfehlungen und allgemein die Konvention durchgesetzt wird. Liegt es damit zusammen, dass es keine Sanktionen für Nichteinhaltung gibt?
Tobias Buchner: Das hängt einerseits natürlich damit zusammen, dass es keine Sanktionen gibt für Nichteinhaltung, auf der einen Seite.
Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass wir noch wesentlich mehr Bewusstseinsbildung und Arbeit leisten müssen in Österreich über die Konvention, über die Rechte von Menschen mit Behinderung und deren Bedeutung.
Wir haben damit als Monitoring-Ausschuss, denke ich, schon relativ viel Erfolg gehabt, relativ viel Bewusstseinsarbeit betrieben.
Aber ich glaube, wir müssen im nächsten Schritt noch stärker versuchen, auch aus der Community von Menschen mit Behinderung darüber hinweg noch stärker quasi in der gesamten Gesellschaft Bewusstseinsbildung zu betreiben.
Weil ich glaube, wenn uns das gelingt – was natürlich auch immer eine Frage der Ressourcen ist – und wenn uns das gelingt, glaube ich, dass derartige Handlungsempfehlungen nicht so leicht auf die lange Bank geschoben werden können.
Trotzdem bin ich vorsichtig optimistisch.
Menschen mit Behinderung sind es satt zu warten und vertröstet zu werden.
Es ist ja nun auch nicht so, dass in Österreich die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung gestern unterzeichnet hätte und man sagen würde: “Okay, man braucht ein bisschen Zeit, um in die Gänge zu kommen”, sondern dass das Ganze ja schon über 15 Jahre her ist.
Von daher muss man sagen, dass dieses Tempo, das ja übrigens auch im Bericht bzw. in den Handlungsempfehlungen von den Vereinten Nationen moniert wurde, dass dieses Tempo eigentlich von sehr lange Zeit nicht mehr nachvollziehbar ist und dass das auch bedeutet, diese Verschleppung, dass das eine systematische Verletzung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderung ist.
Weil für dieses Verständnis, das eventuell einige politische Entscheidungsträger:innen haben, dass politische Prozesse Zeit dauern. Nun, für dieses Verständnis haben Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen kein Verständnis.
GW.TV: Wir befinden uns jetzt im Wahljahr und es ist sehr wahrscheinlich, dass wir bald eine ganz neue Regierungskoalition haben. Welche Auswirkungen wird es auf den Monitoring-Ausschuss haben bzw. auf die Einsetzung von diesen Handlungsempfehlungen?
Tobias Buchner: Nun, das bin ich sehr, sehr zuversichtlich.
Die Funktion des Monitoring-Ausschusses, die ist ja gesetzlich vorgegeben im Bundes-Behinderten-Gesetz und da ist das ja quasi ein Gesetz, das umgesetzt werden muss.
Das Monitoring-Ausschuss erhält ja auf Basis dieses Gesetzes auch ein jährliches Funding, das gesetzlich vorgeschrieben ist.
Und ich habe auch bisher den Eindruck, dass der Monitoring-Ausschuss als Organ zur Überwachung der Umsetzung der UN-Konvention von allen Parteien wahrgenommen wird und auch angesprochen wird.