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Warum die Taube „Taube“ heißt 10. Teil

Am nächsten Tag war sie die Erste, die zum Frühstück erschien. Die Eltern waren sehr überrascht, Franziska schon anzutreffen. Ob sie mit dem Vater sprechen könnte, es sei sehr wichtig, bat Franziska. Ob er noch am Vormittag, am besten gleich nach dem Frühstück Zeit für sie haben.
Der König war erfreut und gleichzeitig überrascht, denn trotz ihrer offensichtlichen Rückkehr in die Gemeinschaft des Hofes hatte sie Gespräche mit den Eltern noch niemals gewünscht.

Natürlich würde er sich Zeit für ihr Anliegen nehmen, bestätigte der König unverzüglich. Sie könnten sich sofort ins königliche Besprechungszimmer zurückziehen, wenn Franziska es wünsche. Er merkte, dass es eine ernste Angelegenheit zu sein schien, denn Franziska blickte betrübter und verzweifelter denn je. Nachdem sie sich zurückgezogen hatten, begann sie zu erzählen. Schließlich konnte sie sich nicht mehr beherrschen und die ganze Wahrheit kam zutage. Sie erzählte dem Vater alles, was seit so langer Zeit ihr Geheimnis gewesen war.

Der Vater verstand durch die Aufregung Franziskas nur die Hälfte, aber so viel war klar, sie war unendlich in Marino verliebt und nichts in dieser Welt konnte daran etwas ändern. Der König verstand nun, was ihren plötzlichen Stimmungswechsel hervorgerufen hatte, und fast war er stolz auf die Klugheit der beiden und ihre Beharrlichkeit. Als Franziska mit ihrer Schilderung fertig war, sah sie dem König in die Augen.

Ganz langsam und klar verständlich gebärdete sie, dass sie nur einen Wunsch hätte, und zwar Marino zu heiraten. Der König sah seine Tochter ungläubig an und bat sie, diesen Satz doch zu wiederholen. Er wollte sicher gehen, keinem Missverständnis zu unterliegen. Franziska wiederholte ihren Wunsch und in diesem Moment erinnerte sich der König an den Schwur, den er damals, als sie noch nicht sprechen konnte, geleistet hatte. Den ersten geäußerten Wunsch würde er erfüllen, egal was sie verlangen möge. Plötzlich war ihm, als müsste sein Herz vor Freude zerspringen, tief in seinem Inneren hatte er gehofft, Marino an Franziskas Seite zu sehen. Der Minister war so eindeutig an seiner Nachfolge interessiert und schon lange hatte der König jegliches Vertrauen in den Minister verloren.

Für ihn gab es nun keinen Zweifel mehr an der Richtigkeit seiner Entscheidung und er willigte ein. Für einen Moment erstarrte Franziska und dann brach sie in Tränen aus. Sie konnte nicht mehr aufhören zu weinen und dem König war es, als könnte man es schon im ganzen Schloss hören. Als ob nicht schon genug Aufregendes passiert war in letzter Zeit, jetzt war der Gipfel wohl erreicht. Wie sollten der König und Franziska den anderen die Entscheidung mitteilen? Doch je eher die Wahrheit ans Licht kam, desto eher würde Ruhe einkehren und man könnte sich auf die Suche nach Marino und seiner weisen Mutter machen.


Warum die Taube „Taube“ heißt
Herausgeber: Österreichischer Gehörlosenbund (ÖGLB), 1100 Wien
www.oeglb.at
Text: Norbert Pauser
Illustrationen: Mag.a Persida Popovitsch-Hon
Grafik: Christoph Letmaier
Druck: Manz Crossmedia GmbH & Co KG, Wien
ISBN 3-200-00375-8

Foto/Video Credits: Persida Popovitsch-Hon / Gebärdenwelt.tv
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