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Vorgestellt: Gehörlosenambulanz Wien

Wir haben uns für euch in den Bundesländern umgesehen und möchten euch im Laufe der Aktionswoche die fünf Gehörlosenambulanzen in Österreich vorstellen. Beginnen wir in Wien!  

 

*Alternativlink zum Video: Youtube

 

Was sind die Eckdaten der Gehörlosenambulanz? 

Hier in der Gehörlosenambulanz betreuen wir gehörlose Patient:innen – gleich wie bei einem praktischen Arzt. Ich erzähle kurz wie alles begonnen hat. Die Idee hatte vor 24 Jahren der damalige Vorstand des Wiener Gehörlosenvereins. Er wollte nach dem Vorbild in Linz auch in Wien eine Gehörlosenambulanz aufbauen. Dazu ging er auf Wiener Krankenhäuser zu, um auch eine Gehörlosenambulanz ins Leben zu rufen. Ich darf kurz unser Team vorstellen: Wir haben zwei Pfleger:innen, eine Krankenschwester (Schwester Lydia) und einen gehörlosen Pfleger (Patrick). Er hat seine Ausbildung in der Pflegeschule absolviert. Er ist ein sehr wichtiger Teil unseres Teams. Wir alle lernen von ihm über Gebärdensprache und Gehörlosenkultur. Außerdem ist er ein Vorbild für andere gehörlose junge Menschen. Dann haben wir noch zwei Sekretärinnen im Team. Eine Sekretärin ist die halbe Woche als Kommunikationsassistentin tätig. Sie unterstützt unseren Sozialarbeiter. Unser Sozialarbeiter Romeo ist auch gehörlos. Er benötigt z.B. für den Kontakt mit Ämtern Kommunikationsassistenz. Dann haben wir noch zwei Psycholog:innen im Team. Auch sie sind gebärdensprachkompetent. Gerade jetzt im Zuge der Corona-Pandemie wurde klar, wie wichtig psychologische Unterstützung ist.  

Was kann die Gehörlosenambulanz anbieten? Worauf ist sie spezialisiert? 

In der Ambulanz bieten wir z.B. Impfungen und Untersuchungen an. Wir schauen uns z.B. den Blutzuckerspiegel an oder machen eine Gesundenuntersuchung. Wir, das Pflegepersonal, bieten auch Begleitungen zu Fachambulanzen an. Wir begleiten Patient:innen in andere Abteilungen im Krankenhaus. Das können z.B. die HNO-Abteilung, Augen-Abteilung, die Urologie oder weitere Abteilungen sein. Wir begleiten auch Personen zu Kontrolluntersuchungen. Das kann z.B. die jährliche Untersuchung in der urologischen Abteilung sein. Auch für die jährliche gynäkologische Untersuchung bei Frauen ist es wichtig, Begleitung anzubieten. Patient:innen können mit Notfällen und unterschiedlichen Beschwerden zu uns kommen. Wir können dabei auf die Unterstützung des Krankenhauskomplex bauen. Das ist wirklich eine große Unterstützung. Die Zusammenarbeit ist wunderbar. Zur Behandlung gehörloser Patient:innen haben wir viele Möglichkeiten. Hier können wir ein EKG machen. Wie man sieht, sind wir mit viel Bildmaterial ausgestattet. Das hat den Grund, dass gehörlose Menschen sehr visuell orientiert sind. Manchmal ist es jedoch schwierig, sich medizinische Vorgänge oder Krankheiten bildhaft vorzustellen. Aus diesem Grund zeigen wir unseren Patient:innen gerne Anschauungsmaterial. So können Vorgänge im Körper oder Themen rund um Gesundheit und Krankheit besser verstanden werden.  

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Stellen? 

Unser Vorteil ist, dass alle Mitarbeiter:innen gebärdensprachkompetent sind. Wir brauchen also nur selten Dolmetscher:innen. Mit unserer Gebärdensprachkompetenz haben wir eine gute Kommunikationsbasis. Die einzige Ausnahme sind psychiatrische Leistungen. Ein- oder zweimal pro Monat kommt ein:e Psychiater:in mit einer:einem Dolmetscher:in. Da ist einfach wichtig, dass das anonym und in einem geschützten Rahmen ist. Das wird alles ohne uns abgewickelt. Dafür bzw. auch für Teambesprechungen bestellen wir Dolmetscher:innen. Das ist einfach schneller und praktischer. Sonst arbeiten wir mit Dolmetscher:innen, wenn es spezielle Untersuchungen oder Termine in anderen Spitälern (z.B. AKH) sind. Wir bieten auch an, Dolmetscher:innen für die Patient:innen zu organisieren. Normalerweise legen wir aber viel Wert auf die Selbständigkeit unserer Patient:innen. Wir wollen ihnen mehr Autonomie geben. Gerne geben wir ihnen die Liste mit Kontaktdaten und sie kümmern sich selbst um alles. Das ist für uns ein wichtiger Punkt. Wir wollen unseren Patient:innen nicht alles abnehmen. Die Selbständigkeit der Patient:innen ist uns wirklich sehr wichtig.  

Wo gibt es noch Handlungsbedarf in Bezug auf ein barrierefreies Gesundheitssystem? 

Natürlich gibt es noch viele Wünsche. Ganz wichtig wäre, dass es mehr Dolmetscher:innen gibt. Dieses Problem zeigt sich eben auch in der Gehörlosenambulanz. Besonders bei Notfällen sind dann keine Dolmetscher:innen verfügbar. Man kann so schnell einfach keine Dolmetscher:innen organisieren. Oft begleiten dann Mitarbeiter:innen aus dem Team die gehörlosen Patient:innen. Sie begleiten dann in andere Krankenhäuser bei speziellen Untersuchungen. Z.B. zu einer Herzuntersuchung bei einem Herzinfarkt. Wenn ein Herzkatheter gebraucht wird, kann man nicht auf Dolmetscher:innen warten. Das ist unmöglich! Das wäre sicher ein Wunsch! Also für die Zukunft … Wir haben schon viele Angebote. Wenn wir etwas nicht abdecken, dann können wir an andere Stellen verweisen. Wir können dann einfach den Kontakt herstellen. Das Problem dabei ist lediglich, dass man dafür wieder Dolmetscher:innen organisieren muss. Einige gehörlose Personen machen das selbst. Wenn es Schwierigkeiten gibt, übernehme ich das gerne. Oft findet man dann niemanden, weil es einfach zu wenige Dolmetscher:innen gibt. Oder man muss zuerst abklären, ob die gehörlose Person eine Förderung für Dolmetschkosten bekommt. Wird es abgelehnt, steht man vor dem nächsten organisatorischen Problem. Das heißt der bürokratische Aufwand mit den Anträgen, Wartezeiten, usw. ist enorm. Erst nach Bewilligung kann man dann ein:e Dolmetscher:in organisieren. Es gibt leider keine zentrale Stelle, an die ich mich wenden kann, dass ich einfach zu einem Termin komme und für die Dolmetschung ist gesorgt. Dass alles von einer Zentrale organisiert wird, das gibt es leider nicht. Das brauchen wir in Zukunft.
 

https://www.barmherzige-brueder.at/portal/wien/medizinpflege/ambulanzfuergehoerlose 

Foto/Video Credits: Gebärdenwelt.tv
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