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Sendung ohne Barrieren: Handlungsempfehlungen der UNO

In einer großen Pressekonferenz wurden die Ergebnisse der UNO-Staatenprüfung und die Handlungsempfehlungen bekannt gegeben. Die Sendung ohne Barrieren hat die Veranstaltung zusammengefasst.

 

*Alternativlink zum Beitrag: Sendung ohne Barrieren: Handlungsempfehlungen zur UNO-Konvention – Youtube

 

Transkript:

[Bernhard Achitz]: Wunderschönen guten Morgen meine Damen und Herren.  

Herzlich Willkommen in der Volksanwaltschaft. Danke für Ihr zahlreiches Erscheinen. Wir haben sie heute eingeladen, um über die Staatenprüfung der UN-Behindertenrechtskonvention zu berichten. Die Staatenprüfung hat vor wenigen Wochen in Genf stattgefunden.  

Der erste große Bereich, den wir angemerkt haben ist, dass Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe verbesserungswürdig ist. Es gibt nicht in allen Einrichtungen Gewaltschutz und Krisenkonzepte. Es gibt nicht in allen Einrichtungen Deeskalationskonzepte. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen, etwa durch Medikamente, werden zu häufig eingesetzt. Oft werden sie auch nicht gemeldet.  

Es gibt zu wenige Konzepte für sexuelle Selbstbestimmtheit. Auch gibt es keine sexualpädagogischen Konzepte. Es gibt in vielen Fällen keine unterstützte Kommunikation für nonverbale Menschen. Selbst in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung ist die Barrierefreiheit verbesserungswürdig.  

Das zweite große Thema, was die Volksanwaltschaft aufgeworfen hat, ist das Thema “Lohn statt Taschengeld”. Dazu hat die Volksanwaltschaft vor einigen Jahren einen Sonderbericht gemacht.
Menschen die in Behindertenwerkstätten arbeiten, bekommen in den allermeisten Fällen keine reguläre Bezahlung für ihre Arbeit. Das bedeutet, dass sie auch nicht regulär versichert sind. Dadurch haben sie keine Pensionsversicherung und keine eigene Krankenversicherung haben. 

[Christine Steger]: Ein Riesenproblem, dass auch der Fachausschuss aufgegriffen hat, ist der sogenannte Erfüllungsvorbehalt  in Österreich. Das bedeutet, dass die Bevölkerung mit dieser Konvention nicht anklagen kann und keine direkten Forderungen machen kann. Das bedeutet, dass Österreich die Verantwortung seit 2008 hat, die UN-Konvention auf Bundes- und auf Länderebene umzusetzen. Das ist noch immer nicht passiert. 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Diskriminierungsschutz. Zwei Jahre bevor die Konvention geltend wurde, wurde das Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Im Zuge des Gleichstellungsgesetzes auch die Möglichkeit, Diskriminierungen zu ahnden. Zunächst in einem (Schlichtungs-)Prozess, aber auch im Rahmen einer Klagsmöglichkeit. Hier hat der Fachausschuss starkes Interesse gezeigt, wie Prozesse dieser Klagsmöglichkeit aussehen. Der Fachausschuss hat angemerkt, dass Möglichkeiten und Werkzeuge, die Menschen mit Behinderungen in Österreich für Diskriminierungsschutz vorfinden, nicht ausreichend sind. 

 Wir kommen ein wenig in die Länderverantwortung. Das betrifft den Bereich der angemessenen Vorkehrungen. Ganz vorne im Einführungstext und der Konvention steht, dass die Republik angemessene Vorkehrungen für alle Lebensbereiche treffen muss. Menschen mit Behinderung müssen Unterstützungsmöglichkeiten bekommen. Das ist momentan nicht ausreichend der Fall.
Österreich orientiert sich in Ländergesetzen und Bundesgesetzen noch immer am medizinischen Modell von Behinderungen. Eine Person mit Behinderung muss einen bestimmten Grad einer Behinderung haben, oder eine bestimmte Pflegegeldstufe haben. Ist das nicht der Fall, bekommt sie keine Leistung und keine Unterstützung.
Auch das ist bei der Staaten-Prüfung klar geworden und nicht mit den Konventionszielen vereinbar. Auch hier wird es eine Handlungsempfehlung geben.  

[Martin Ladstätter]: Das nicht handeln wollen der Bundesländer! Manche Bundesländer glauben die Behindertenrechtskonvention nicht umsetzen zu müssen. Der Fachausschutz hat in gemeint: Es besteht die Besorgnis, dass österreichische Bundesländer die Bedeutung und Logik der Konvention nicht vollständig umsetzen und dementsprechend handeln.
15 Jahre nachdem Österreich einen völkerrechtlichen Vertrag unterschrieben hat, sagt das Prüfungsorgan: „Ja, wir sind uns nicht ganz sicher, ob ihr verstanden habt was sie da unterschrieben haben.”

[Bernadette Feuerstein]: Institutionen verursachen Schaden. Schaden der ein Leben lang anhält. Das hat SIR Robert Martin, ein Kollege mit Lernschwierigkeiten bei der Staatenprüfung im UN-Gebäude gesagt.  

Wieso beginne ich mit diesem Zitat?
In Österreich ist trotz des Verbots der Verschlechterung, die Zahl der Menschen, die in geschützten Werkstätten arbeiten, oder der Personen die in Institutionen Leben um 31 Prozent gestiegen ist.  

[Tobias Buchner]:Im Rahmen der Staatenprüfung kamen nachfragen zum Bereich der inklusiven Bildung. Der Fachausschuss hat aufgezeigt, dass die letzten Jahre in Österreich von Stillstand und Rückschritten im Bereich der inklusiven Bildung geprägt waren. Es war deutlich und die Kolleginnen haben das angesprochen. Die Zeit der Alibi-Aktion im Bereich der inklusiven Bildung ist vorbei. Ein kleines Projekt hier, eine kleine kostenneutrale Maßnahme dort, ein bisschen Menschen mit Behinderung zuhören und dann doch alles beim Alten belassen. Nun diese Zeit ist vorbei. Das wurde vom Fachausschuss auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.  

[Daniela Rammel]:Der UN-Fachausschuss interessiert sich für die Situation von Frauen mit Behinderungen in Österreich. Frauen mit Behinderungen müssen oft ein gewaltbetroffenes, unsichtbares und fremdbestimmtes Leben führen. Das darf in Österreich nicht weiter ignoriert werden. Die österreichische Delegation hielt sich bei der Staatenprüfung inhaltlich eher allgemein. Sie verwies auf beginnende oder erst in Zukunft geplante Maßnahmen. Es wurden Verbesserungs- und Unterstützungskonzepte aufgezählt, welche Frauen mit Behinderungen betreffen. Auch in diesem Bereich sind das nur kleine Projekte. Es reicht nicht kleine Projekte hier und da umzusetzen.  

[Martin Ladstätter]: Was heißt das abschließend? In die nächsten Tagen wird der Fachausschuss seine schriftlichen Handlungsempfehlungen an Österreich übermitteln. Dann ist klar, was  Österreich ändern muss. Dazu muss die Anerkennung der Missstände geschehen und ein konkreten Plan der Republik und der Bundesländern erstellt werden, der diese Missstände auch strukturiert abarbeitet. Man wird nicht daran vorbei kommen, den nationalen Aktionsplan auch diesbezüglich zu überarbeiten. Sonst wird man in zehn Jahren wieder vor der UNO stehen und eine peinliche Darlegung machen müssen, warum man es in zehn Jahren wieder nicht geschafft hat, die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen.  

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und noch einen schönen Tag. 

Foto/Video Credits: Zitronenwasser / Gebärdenwelt.tv
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