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„Rückschritte und Parallelwelten“: Interview mit UNO-Staatenprüfer Markus Schefer

Die UNO-Staatenprüfung Österreichs endete mit einem schlechten Ergebnis. Markus Schefer war Vorstand des UNO-Fachkomitees. Wir haben mit ihm über die vergangene Staatenprüfung und die kommenden Schritte für Österreich gesprochen.

 

*Alternativlink zum Video: „Rückschritte und Parallelwelten“: Interview mit UNO-Staatenprüfer Markus Schefer – Youtube

 

Transkript:

(Kleine grammatikalische Änderungen wurden unternommen, um den Text verständlicher zu gestalten.)

Markus Schefer auf der Bühne: Guten Morgen, meine Damen und Herren!

Und ich war Rapporteur (Anm. Berichterstatter) in diesem Verfahren zur Überprüfung, was Österreich gemacht hat und was Österreich nicht gemacht hat, zur Umsetzung der UNO-Konvention. Das heißt, ich musste sämtliche Eingaben, die von Ihrer Seite, seitens der Regierung gemacht wurden, den Akt studieren. Nicht gut darin zurechtfinden. Ich musste versuchen, mir ein Bild vom Stand zu machen, vom Stand der Umsetzung der Konvention in Ihrem Land.

[GW.TV]: Es ist 15 Jahre seit der letzten Staatenprüfung her. Was war für Sie das überraschendste Ergebnis?

Schefer: Sehr überraschend war, dass es in gewissen Bereichen einen gewissen Rückschritt in der Umsetzung der Konvention gegeben hat. Das ist selten.

[GW.TV]: Was waren genau diese Rückschritte?

Schefer: Wir haben im Bereich der Bildung das Aufgeben von Pilotprojekten, die nicht nachvollziehbar war. Man hat im Bereich des Erwachsenen-Schutzrechts, obwohl man ein sehr gutes neues Gesetz hat. Im Endergebnis eine schlechtere Situation als zuvor. Das ist selten.

[GW.TV]: Wie schneidet Österreich im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern ab?

Schefer: Ich denke, Österreich fällt nicht ab im Bereich der zentral westeuropäischen Länder, aber fällt auch nicht auf, also nicht hervor.

[GW.TV]: Wir haben heute unter anderem über inklusive Bildung gesprochen. Was gibt es da für andere Modelle? Wo sind genau die konkreten Problemfelder in Österreich?

Schefer: Konkret? Ich würde mal im Allgemeinen anfangen, die Grundüberzeugung, dass man keine Parallelwelten schaffen soll für Menschen mit Behinderungen, auch nicht in der Bildung. Diese Grundüberzeugung ist nicht auf allen Ebenen erkennbar und diese Grundüberzeugung ist Grundvoraussetzung dafür, dass man sich wirklich für ein inklusives Bildungssystem engagiert und ein solches einzuführen versucht.

[GW.TV]: Wir haben davon gesprochen, dass diese Vorbild-Schulen geschlossen wurden. Was war die Begründung von dem Staat, warum das so ist, warum das nicht weitergeführt worden ist?

Schefer: Ich sehe die Sachen von außen. Die Behindertenverbände, im Rahmen der Staatenprüfungs-Verfahren, haben mir gesagt, sie wüssten die Gründe auch nicht. Und das zeigt doch, dass offenbar der Einbezug der Behindertenverbände auch verbessert werden könnte.

[GW.TV]: Sie haben einen Vergleich gebracht mit Louisiana in den USA und das Beispiel mit dem Rassismus von damals. Ist so etwas Ähnliches tatsächlich mit Personen mit Behinderung hier zu sehen?

Schefer: Ich denke schon. Die Vorstellung, dass man die Gesellschaft aufteilt in Untergesellschaften, je nachdem, welches Merkmal man hat oder eben nicht hat, das liegt im Kern hinter der Rassentrennung im Süden der USA, liegt aber auch im Kern hinter der Vorstellung, dass man für Menschen mit Behinderungen im Bereich der Bildung, im Bereich der Arbeit, im Bereich des Wohnens eine Sondersituation schafft und diese Sondersituation als solche zu erkennen und sie nicht mit fürsorglichen Vorstellungen zu rechtfertigen. Das ist die Herausforderung.

[GW.TV]: Es war auch während der Staatsprüfung die große Diskussion, wie bindend dieses Unterschreiben der Behindertenrechtskonvention ist. Wie kann man solche Maßnahmen dann durchsetzen, wenn der Nationalstaat entscheidet, “Nein, eigentlich sind das nur Empfehlungen und keine konkrete Maßnahmen”?

Schefer: Also die rechtlichen Verpflichtungen, die Österreich mit der Ratifikation der Behindertenrechtskonvention übernommen hat, sind rechtlich bindend. Das ist bindendes Recht. Unsere Auslegung dieser rechtlichen Verpflichtungen und die darauf gestützten Empfehlungen an die Mitgliedstaaten sind, wie es der Name schon sagt, nicht in dem Maße rechtlich verbindlich, dass jede Nichtumsetzung solcher Empfehlungen eine Konventionsverletzung wäre. Das Verfahren liegt auf der Schnittstelle zwischen Recht und Diplomatie, und es ist nun eine Aufgabe im österreichischen politischen Diskurs, jenem politischen Willen zu entfalten, zu generieren, der es ermöglicht, den rechtlichen Verpflichtungen auf internationaler Ebene nachzukommen. Und der es ermöglicht die Empfehlungen des Ausschusses, die er abgegeben hat, um eben diese rechtlichen Verpflichtungen umsetzen zu können, nachzukommen.

[GW.TV]: Zum Abschluss: Sie haben ja Ihre Handlungsempfehlungen abgegeben, aber als Außenstehender was wäre Ihre große Hoffnung für Inklusion und inklusive Bildung in Österreich?

Schefer: Die große Hoffnung ist, dass man im Kern erkennt, dass die Schaffung einer Parallelwelt oder von Parallelwelten für Leute mit Behinderungen eine elementare Ungerechtigkeit ist und nicht eine fürsorgliche Maßnahme darstellt.

Foto/Video Credits: Gebärdenwelt.tv
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