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Projekt Du: Gebärdenlieder mit SIGA und Vanessa Feller-Jung

Bei Projekt Du trifft Rap auf Gebärdensprache. Seit 10 Jahren begeistern Rapper Siva Ganesu a.k.a. SIGA und Gebärdensprachdolmetscherin Vanessa Feller-Jung auf der Bühne. Zusammen schaffen sie Musik für Personen, die sonst von der Musikwelt abgeschlossen sind. Im Interview erzählen sie uns von ihrer Leidenschaft und wie diese einzigartige Idee entstanden ist.

 

*Alternativlink zum Video: Youtube

 

Transkript des Interviews: (Der Text wurde teilweise wegen besserer Verständlichkeit leicht angepasst).

GWTV: Siva, du bist Rapper, und Vanessa, du bist Gebärdensprachdolmetscherin. Unter dem Namen “Projekt Du” macht ihr gemeinsam Musik für schwerhörige und gehörlose Menschen. Was könnt ihr uns davon erzählen?

Siga: Vanessa, bitte.

Vanessa: Äh, ja. Also im Endeffekt wollen wir einfach mit dem Projekt darauf aufmerksam machen, dass eben auch gehörlose Menschen oder hörgeschädigte Menschen das Recht dazu haben, unsere Musik verstehen zu können und einfach Anteil in unserer Musikwelt zu haben. Weil unsere Musikwelt ist mittlerweile so riesig geworden und wir tragen damit einfach auch zur Inklusion bei, würde ich jetzt einfach mal behaupten, weil wir einfach diesen Leuten auch ermöglichen, auch in dieser Welt einen Platz zu haben, sage ich jetzt mal.

GWTV:  Wie ist denn diese Idee entstanden? Und wie habt ihr euch gefunden?

Siga: Es ist mittlerweile zehn Jahre schon her. Dieses Jahr feiern wir unser Zehnjähriges. Da hatte mich ein Fan angeschrieben. Sie wollten ein Video mit Untertiteln. Und da wurde ich das erste Mal damit konfrontiert und habe mir die Frage gestellt: Weshalb? Und da hieß es: wegen einer Bekannte, die gehörlos ist. Und irgendwie hat mich das lange beschäftigt und ich habe mich schlau gemacht im Internet. Und zu der Zeit gab es wirklich nichts für gehörlose Menschen oder hörgeschädigte Menschen außer Untertitel. Und dann hatte ich da hatte ich so eine Vision, eine Idee gehabt, dass man einfach eine Gebärdendolmetscherin auf den Videos fokussiert, eins zu eins, dass man wirklich Fokus auf sie hat. Also habe ich mich auf der Suche gemacht hatte auch viele Vorstellungen. Das muss einfach passen.

Und dann habe ich zufällig die Vanessa auf Facebook gesehen. Zu der Zeit war sie noch recht jung. 13 Jahre alt. Das wusste ich nicht. Aber sie hat das gewisse Etwas und ich habe sie direkt angesprochen und sie war auch fasziniert davon und jetzt ist es schon zehn Jahre. Es waren mittlerweile auch so viele Bühnen und TV-Shows und…. Wahnsinn! Die Zeit ist wie im Flug vergangen.

Vanessa: Aber wirklich.

GWTV: Und wie war es für dich, Vanessa, als du diese Einladung bekommen hast?

Vanessa: Ja, für mich war das unbeschreiblich in dem Moment, dass jemand, der eigentlich überhaupt keinen Draht zu dieser Gehörlosen-Welt hat sich dafür einsetzen möchte, dass genau diese Menschen inkludiert werden in unserer Welt.

Bei mir sowieso als Kind von Gehörlosen-Eltern war ich mit dieser Welt verbunden. Bei mir sowieso als Kind von Gehörlosen-Eltern war ich mit dieser Welt verbunden. Und wo ich dann eben gelesen habe, dass wirklich jemanden, der wie gesagt überhaupt keinen Draht dazu hatte, sich mit mir zusammen dafür einsetzen möchte, dass diesen Menschen ein Ohr geschenkt wird, war das für mich in dem Moment natürlich auch direkt klar, dass ich die Projektanfrage definitiv nicht ablehne. Und bin auch wirklich sehr, sehr froh, dass ich mich damals dafür entschieden habe. Weil einfach die Art und Weise, was wir jetzt alles schon geschafft haben, wie weit wir schon gekommen sind, ist wirklich unglaublich.

GWTV: Und Siga hat dich ja auf Facebook gefunden. Du warst recht jung, als du angefangen hast, Lieder in Gebärdensprache zu übersetzen. Wie ist diese Idee entstanden?

Vanessa: Auf die Idee, Lieder zu übersetzen, bin ich gekommen, da mein Vater neu geheiratet hat. Ich hatte überlegt, “Okay, was kann ich ihm vielleicht

am besten zur Hochzeit schenken?” Und wenn mein Papa und ich im Auto gefahren sind, hat er mich immer gefragt, was Musik ist, wie sich Musik anhört. Und ich finde es unglaublich schwierig, Musik in Worte zu beschreiben, weil Musik ist so facettenreich, wir haben so viele Richtungen und ich habe dann einfach gedacht, „Warum übersetze ich nicht einfach mal ein Lied auf seiner Hochzeit?“ Und das habe ich dann gemacht.

Und bei der Hochzeit waren natürlich auch sehr viele Gehörlosen-Freunde von ihm da. Und wo ich dann fertig war, war diese Resonanz, die ich dann bekommen habe, einfach unglaublich. Mein Vater ist auch direkt in Tränen ausgebrochen, hat mich direkt umarmt und hat sich bedankt dafür, dass ich ihm gezeigt habe, was Musik ist. Genau das gleiche Feedback habe ich auch von seinen Freunden bekommen. (Nachdem ich mich damit) auseinandergesetzt habe und einfach gesagt habe, ich muss noch ein bisschen mehr dazu beitragen, was dann eben dazu geführt hat, dass ich meine Facebookseite gestartet habe, wo ich dann einfach diese Videos komplett für alle Gehörlosen zugänglich machen wollte.

GWTV: Siga hat es gesagt: vor zehn Jahren gab es nicht so viel in der Richtung. Was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert?

Siga: Ich muss dazu sagen, die Leute sind offener geworden. Wo wir gestartet haben…. Anders ist natürlich die Nachfrage jetzt, denn wir kriegen täglich Mails zu Anfragen und Konzerten und Bookings. Jetzt wenn ich überlege, vor acht oder zehn Jahren war es natürlich anders. Die Leute wussten damit nichts anzufangen. Es war klar, es gibt diese Menschen, die sind irgendwo da, aber man hat irgendwie damit nichts angefangen. Und das war unser Ziel. Unser Fokus war wirklich die Menschen, die irgendwie am Rand der Gesellschaft reinschauen. Wie gesagt, sie irgendwo da. Für mich und für uns gehören sie in den Mittelpunkt. Und das wollten wir eigentlich schaffen. Mittlerweile werden sie alle viel offener. Und das sehen wir natürlich auch. Und das freut uns.

GWTV: Wir haben jetzt sehr viel über die Gebärdensprache, oder die Übersetzung geredet. Aber kehren wir vielleicht zu der Musik zurück: Hier gibt es eine sehr spannende Geschichte. Siga, du warst Bodyguard. Danach bist zum Rapper geworden.

Siga: Ja. Also, Musik habe ich schon immer gemacht. Zu der Zeit auch, wo ich in Deutschland, in Bielefeld, gelebt habe. Aber ich habe nicht die Möglichkeit gehabt, musikalisch (etwas zu machen). Finanziell war es nicht möglich, in ein professionelles Studio zu gehen oder irgendwas damit anzufangen. Ich habe es hobbymäßig gemacht. Dann von Bielefeld aus hatte ich halt als Sicherheitsfachmann eine Ausbildung gemacht und war erfahren im Kampfsport. Ich wollte schon immer was in dieser Richtung machen und bin dann sozusagen von heute auf morgen für ein Vorstellungsgespräch nach Zürich gereist. Mit dem Zug, ganz alleine. Es war echt eine crazy Geschichte. Ich habe den Job bekommen als Sicherheitsfachmann und habe mich weiter ausgebildet als Bodyguard.

Dann hatte ich auch das Glück. Das muss man sich so vorstellen: Von Bielefeld, von unserem Ruhrpott, auf einmal bist du mit Hollywood-Schauspieler im Privatjet oder ähnliches. Das war für mich schon sowieso ein Traum. Aber ich hatte immer die Musik im Hinterkopf. Immer wenn ich mit Musik-Stars  unterwegs war, wenn die auf der Bühne standen, hatte ich immer so ein Kribbeln, weil ich selbst auf die Bühne wollte. Und zu der Zeit wollte das mein Chef nicht, dass ich meine Musik veröffentliche.  Dann irgendwann habe ich….

GWTV: Entschuldigung, du warst kurz abgebrochen. Mit wem warst du im Auto?

Siga: Denzel Washington. Ich hatte den Auftrag, auf ihn aufzupassen und die waren gut drauf, haben sich ein Duett gegeben im Auto, dann tippte mich auf die Schulter an, ob ich auch was singen kann. Darf ich ja natürlich nicht im Job. Aber ich habe da mal was Selbst-Geschriebenes gerappt. Und dann hat er mir einen ausschlaggebenden Punkt gegeben im Hotel. Er hat gemerkt, dass ich Leidenschaft habe, in dem, was ich mache. Ich soll es doch probieren. Und das war für mich so ein Zeichen. Ich probier’s mal. Und so war das dann. Schritte. Also es ginge dann recht schnell.

GWTV: Eine große Verwandlung sozusagen.

Siga: Ja, auf jeden Fall. Auf jeden Fall. Voll. Wenn ich überlege, in Bielefeld, wie ich gelebt habe: Keine Zukunft. Und auf einmal bin ich hier in Zürich und darf das machen. Das ist ein Privileg für mich.

GWTV: Also zusammen macht ihr Kunst explizit für gehörlose und schwerhörige Menschen. Wie kommt es in der Community an? Was ist das Feedback?

Vanessa: Also unser Feedback ist hauptsächlich positiv. Wir kriegen ganz oft Nachrichten, wo sich Leute dafür bedanken, dass wir ihnen die Musik zugänglich machen. Wir bekommen auch Tag…. …Mut zusprechen. Die sagen, dass wir weitermachen sollen. Weil es gibt natürlich auch die negative Seite. Es kann nicht immer nur alles positiv sein. Ja, es gibt ganz egal, was man macht, man hat leider Gottes immer mit Kritik auch ein bisschen zu kämpfen, weil dann auch viel gesagt wird.

Was ich persönlich, ich verstehe das ja komplett. Ich bin von klein auf immer in diese Gehörlosen-Kultur mit reingebracht worden.  Was uns ein paar auch einfach sagen, wir würden uns ihrer Kultur aneignen, wir würden die Gebärdensprache zu unserem Vorteil nutzen. Das sind so die größten Kritikpunkte, die wir eben bekommen, oder dass es dann eben bei mir heißt: ich bin ja keine studierte, ausgebildete Gebärdensprachdolmetscherin, sondern ich mache es einfach wirklich, weil ich es eben als meine Muttersprache kenne. Ich spreche es fließend seit klein auf. Genau. Da wird es eben gesagt, wir würden uns ihre Kultur aneignen.

Ich persönlich, wenn ich dann sowas lese, mich macht es immer total traurig, weil es ist ja im Endeffekt genau das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen. Wir wollen ja wirklich diese Menschen in den Mittelpunkt bringen, ihnen unsere Musik zeigen. Wir haben ja wirklich, wirklich einfach nur positive Gedanken hinter unserer Arbeit. Aber so ist es. Man hat positiv und negativ, aber Gott sei Dank bei uns (hauptsächlich positiv), (und motiviert) uns dann auch immer so weiter zu machen.

Siga: Richtig schön gesagt.

GWTV: Wie reagiert man dann als Künstler, Künstlerin, wenn man mit solchen Vorwürfen von kultureller Aneignung dann konfrontiert wird?

Siga: Also ich mache das jetzt schon ein bisschen länger und ich kann das eigentlich, wie sagt man?  Ausblenden. Schnell kann ich das ausblenden. Ich weiß nicht, wie es bei Vanessa ist, manchmal geht so was schon nah, oder Vanessa? Das gehört auch in unserem Business dazu, das Hin und Her.

Vanessa: Das ist halt einfach, ich sage mal, allgemein, die Menschheit, man könnte wirklich alles in seinem Leben zu 100 % richtig machen und es wird trotzdem immer jemand geben, der irgendwas daran zu bemängeln hätte. Deswegen, da muss man drüberstehen. Ich meine, wirklich gute Kritik, die nehmen wir ja auch an, die nehmen vor allem ich an, wenn es irgendwie heißt, ich könnte vielleicht an der Umsetzung was ändern. Das ist ja dann auch überhaupt gar kein Problem, weil gute Kritik nimmt man immer gerne an. Man will sich auch weiter verbessern. Genau. Aber wenn es wirklich, ich sag jetzt mal, um diesen Hate geht, wo einfach keine sinnvolle Kritik mit drinsteckt.

Siga: Richtig.

GWTV: Jetzt natürlich die Frage: Wie geht’s denn mit der Karriere weiter? Was sind die nächsten Schritte? Für wann sind die nächsten Auftritte geplant?

Siga: Das erste Mal sind wir jetzt auch in Österreich angekommen. Und im September dürfen wir in Wien spielen. Da freuen wir uns drüber. Das Ziel war einmal, dass wir auch in Österreich sind, in Deutschland und in der Schweiz spielen wir recht viel. In Österreich sind wir jetzt mittlerweile dieses Jahr angekommen und das freut uns. Ansonsten haben wir noch ganz viele Musikprojekte und bringen ganz viele Musikvideos weiterhin raus und spielen unsere Konzerte.

Foto/Video Credits: SIGA Music / Gebärdenwelt.tv
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