Für einen Hausarztbesuch von Innsbruck nach Linz zu fahren – für die meisten unvorstellbar. Aber was, wenn es im eigenen Bundesland keine Gehörlosenambulanz gibt?
*Alternativlink zum Video: Nachgefragt: Die Gehörlosen-Community antwortet – YouTube
Möchtest du uns erzählen, wie für dich ein Arztbesuch abläuft?
Bis jetzt hat meine Mutter angerufen, um Termine zu vereinbaren. Für die meisten Arzttermine organisiere ich selbst die Dolmetscher:innen. Wenn der Termin fixiert ist, schicke ich meine Anfrage an die Dolmetscher:innen aus. Einige von ihnen haben Zeit, andere nicht. Das ist nicht so einfach. Früher, also von 1996 bis 2008 bin ich mit der Bahn zur Gehörlosenambulanz nach Linz gefahren. Da bin ich in der Früh aufgestanden und direkt hin. Das war gut, weil Dr. Schatzlmayr mir Inhalte dann in Gebärdensprache erklärte. Ich habe dann aufgehört immer nach Linz zu fahren, weil es einfach zu weit ist. Hier in Innsbruck verstehe ich den Hausarzt nicht. Ich benötige eine Begleitung, die dann mit Ärzt:innen spricht. Es ist wichtig, dass mir die Inhalte in Gebärdensprache erklärt werden.
Gibt es in deiner Nähe eine Gehörlosenambulanz? Welche Vor- und Nachteile haben Gehörlosenambulanzen?
Hier gibt es keine Gehörlosenambulanz, aber ich brauche eine Gehörlosenambulanz. Dr. Fellinger hat sich damals für eine Gehörlosenambulanz in Tirol eingesetzt, aber leider wurde dies nicht umgesetzt. Ich brauche eine Gehörlosenambulanz, wo man in Gebärdensprache kommuniziert. Bei mir gibt es leider keine. Selbstverständlich brauchen wir auch eine Gehörlosenambulanz. Österreichweit gibt es ja einige Gehörlosenambulanzen. Aber in Tirol gibt es keine. Nein, bei mir gibt es keine Gehörlosenambulanz. Ja, wir brauchen unbedingt eine eigene Gehörlosenambulanz. Es ist wichtig, dass man ohne Dolmetscher:innen mit Ärzt:innen und Krankenschwestern kommunizieren kann. Hier in Tirol gibt es bis jetzt keine Gehörlosenambulanz. Allerdings sehen wir vom Gehörlosenverband, dass ein dringender Bedarf besteht. Wir brauchen hier in Tirol dringend und unbedingt eine Gehörlosenambulanz. In Graz gibt es eine Gehörlosenambulanz. Ab und zu bin ich dort in der Ambulanz. Der Arzt dort kann Gebärdensprache, was für mich sehr angenehm ist. Wenn ich also beim Arzt bin gebärdet er und wir kommunizieren in Gebärdensprache. Dadurch ist das Gespräch für mich klar verständlich. Alles was mich beschäftigt, kann ich ansprechen und ausdrücken. Ich kann von Problemen oder über Krankheiten erzählen. Der Arzt kann dann direkt mit Fragen darauf eingehen. Das ist angenehm. Der Arzt in der Gehörlosenambulanz ist ein Allgemeinmediziner. Wenn man jemanden für einen speziellen Bereich braucht, muss man zu einer:einem Fachärzt:in. Ich muss bspw. für meine Rheuma-Erkrankung mit einer:einem Dolmetscher:in zu einer:einem anderen Ärzt:in gehen. Ich möchte gerne, dass es eine Gehörlosenambulanz in St. Pölten gibt. Es ist einfach am besten, wenn Ärzt:innen und Patient:innen in Gebärdensprache kommunizieren können. Das ist richtig so, weil Gebärdensprache meine Muttersprache ist. Da kann ich mich einfach am besten ausdrücken. Ich bin ja selbst betroffen. Ich kann zwar Deutsch, aber meine Muttersprache ist Gebärdensprache. Mich in Lautsprache auszudrücken ist sehr kompliziert für mich. Deshalb braucht es eine Gehörlosenambulanz mit ärztlicher Betreuung in Gebärdensprache. So kann man sich einfach besser verständigen. Ich fände das wirklich sehr sinnvoll!
Gibt es medizinische Termine, die du lieber alleine erledigst? Wenn ja, warum?
Ich gehe lieber ohne Dolmetscher:in. Ich mag es nicht, wenn eine dritte Person dabei ist. Das stört mich. Deswegen gehe ich eigentlich immer alleine zu Ärzt:innen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es schwierig ist, mich dort auszudrücken. Nach einer Zeit bin ich ohne Dolmetscher:in zu den regelmäßigen Terminen gegangen. Ich kannte den Arzt bereits und brauchte die Dolmetschung nicht. Für mich ist es einfacher die Meinung vom Arzt zu erfahren, wenn ich im direkten Gespräch mit ihm bin. Die Dolmetschung ist natürlich auch gut. Dabei bekomme ich mehr Informationen. Die Kommunikation läuft dann aber immer über eine dritte Person. Dabei bin ich mir oft unsicher, ob ich es richtig verstehe und es inhaltlich richtig ist. Das ist schwierig und alles nicht so einfach. Ja. Mir wäre am liebsten, wenn Ärzt:innen Gebärdensprache können, dann benötige ich keine:n Dolmetscher:in. Mir wäre wirklich am liebsten selbst und direkt mit Ärzt:innen zu kommunizieren. Ich möchte ja vielleicht auch nicht, dass der:die Dolmetscher:in weiß, welche Krankheit ich habe. Gehörlose Personen möchten Gesundheitsthemen gerne direkt mit Ärzt:innen in Gebärdensprache besprechen. In bestimmten Situationen ist es für gehörlose Menschen unangenehm, wenn Dolmetscher:innen dabei sind. Dolmetscher:innen haben manchmal bereits viel Wissen über die Betroffenen. Da ist die direkte Kommunikation schon wirklich besser.
Welche Probleme oder Barrieren gibt es beim Arztbesuch?
Schwierig ist, dass man die Termine oft schon weit im Vorhinein ausmachen muss. Kurzfristig bekommt man niemanden. Und natürlich ist es angenehmer, direkt oder alleine mit Ärzt:innen kommunizieren zu können. In Tirol gibt es zu wenige Dolmetscher:innen. Die gehörlosen Personen müssen ständig warten, bis Dolmetscher:innen frei sind. Dazu passend muss dann auch noch der medizinische Termin passen. So verzögern sich Termine oft extrem lange. Zum Beispiel musste ich einmal am Finger operiert werden. Zum Termin bin ich von Graz eine halbe Stunde mit dem Auto gefahren. Ich hatte mich eigentlich schon um die Organisation einer Dolmetschung gekümmert. Aber leider hatte niemand Zeit. Das erschwerte die Kommunikation. Das Gespräch mit dem Arzt ist schriftlich abgelaufen. Nach der Operation blieb ich über Nacht dort. Die Operation ist gut verlaufen. Die Erklärungen und Informationen des Arztes waren für mich sehr schwer zu verstehen. Das war ein großes Problem. In diesem Fall wäre es besser gewesen, eine:n Dolmetscher:in mit dabei zu haben. Dann hätte ich diese schwierigen Inhalte besser verstehen können. Ja, wir müssen immer nach Dolmetscher:innen suchen. Bei jedem Termin müssen wir Dolmetscher:innen anfragen. Manchmal bekommt man jemanden, manchmal muss man den Termin verschieben.
Welche Verbesserungen wünscht du dir für mehr Barrierefreiheit bei Terminen im Gesundheitsbereich?
Wir, vom Tiroler Landesverband wünschen uns dringend eine Gehörlosenambulanz für Westösterreich. Meine Wünsche für die Zukunft betreffen die Kontaktmöglichkeiten von Ärzt:innen. Für mich ist WhatsApp, SMS oder Mail eine super Lösung. Die Barmherzigen Brüder in Wien kann man z.B. per WhatsApp kontaktieren. Das ist sehr praktisch. Wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich einfach ein Video in Gebärdensprache schicken. Ich warte dann auf die Antwort und das klappt super. Das wäre auch bei Hausärzt:innen super, wenn sie ein Handy hätten. Dann könnte man sie per SMS kontaktieren. Per E-Mail ist natürlich auch nicht schlecht. Wenn etwas passiert, kann man so schnell nachfragen. Hörende Personen können ja auch immer einfach anrufen. Für gehörlose Menschen ist das eine Hürde. Genau deswegen wäre eine Gehörlosenambulanz in St.Pölten so wichtig. Gut, vielen Dank! Es ist wichtig, dass wir für eine Gehörlosenambulanz kämpfen. Ich hoffe, es wird bald umgesetzt. Von Innsbruck nach Linz zu fahren ist einfach zu weit.