Vor 30 Jahren hat Johannes Fellinger die erste Gehörlosenambulanz in Österreich geöffnet. Heuer wurde das Jubiläum beim alljährlichen Gesundheitstag gefeiert. Am Programm stand Vorträge, Inklusion und natürlich auch Kuchen.
Transkript: Interview mit Johannes Fellinger
GW: Können Sie sich kurz vorstellen und uns ein bisschen was von dem Tag heute erzählen?
Johannes Fellinger: Mein Name ist Johannes Fellinger. Ich bin Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, und Kinderneurologie. Und dieser Gesundheitstag ist einer der vielen Gesundheitstage, die schon hier waren. Und eigentlich geht es zurück auf die Entstehung der Gehörlosenambulanz vor über 30 Jahren. Wenn Sie das interessiert, kann ich dazu kurz was erzählen.
Ich werde nachher auch noch kurz darüber reden. Mein Vater war ja taub. Mein Schwiegervater war auch taub und ich habe diese Taubheit in der Familie einfach erlebt und meinen Vater unglaublich gern gehabt. Als Arzt habe ich dann gesehen: im Spital sind die gehörlosen Menschen nicht gut behandelt.
Und habe dann in der Psychiatrie besonders gesehen, dass das auch wirklich menschenrechtswidrig ist, wie mit Gehörlosen umgegangen wird. Habe dann hier die barmherzlichen Brüder, den Vorstand gefragt, ob ich eine kleine Ambulanz machen darf für Gehörlose in Gebärdensprache. „Ja, sie dürfen, aber es gibt kein Geld.“ Mein Vater war freischaffender Künstler. Geld war nie ein Thema. Ab und zu gab es was, ab und zu gab es nichts.
Hauptsache Arbeit, hat er immer gesagt. Ich habe einfach die Ambulanz begonnen, und das war gedacht, eine Stunde in der Woche. Aber der Gang war voller Gehörlose. Vor 32 Jahren, ein Arzt, der Gebärdensprache verwendet, das war neu. Und da ist dann auch der Gedanke gekommen: „Das kann man allein nicht schaffen, man braucht ein Team.“ Es ging viel um körperliche, soziale, seelische Probleme. Ein Team muss einfach gemeinsam hier helfen, die Gesundheitsversorgung für Gehörlose auf eine menschenrechtswürdige Ebene zu bringen.
GW: Wir feiern heute wie gesagt, 30 Jahre. Was waren vielleicht die größten Ereignisse in der Zwischenzeit?
JF: Dass vor 30 Jahren eine Finanzierung vom Land Oberösterreich gekommen ist und ein Team berufen werden konnte. Vorher war ich ganz allein, ohne jede Struktur, ohne alles. Aber dann, nach zwei Jahren, gab es eine Unterstützung vom Land und damit auch einen Platz im Krankenhaus. Das ist schon ein Meilenstein gewesen. Und dann gab es noch große andere Meilensteine mit der Ambulanzgründung in Wien, Salzburg, Graz, auch für Gehörlose. Und dann die Entstehung von Zentren für Gehörlose mit Behinderungen, Lebenswelt-Einrichtungen, therapeutische Gemeinschaften für die Zielgruppe. Also auch durch die ganze Thematik: Frühförderung für Familien mit Kindern mit Hörschädigung, Gebärden, visuelle Kommunikation und eine große Entwicklungsmedizinische Abteilung für alle Kinder und Erwachsenen, die Kommunikationsschwierigkeiten haben.
GW: Wie geht es jetzt weiter mit dem barrierefreien Gesundheitssystem? Wie können wir weitermachen?
JF: Eine ganz komplexe Frage, die wir so schnell gar nicht beantworten können. Aber es muss eines klar bleiben: In aller Veränderung dieser neuen Technologien bleibt eines klar: dass der Mensch eines braucht – Vertrauen zu anderen Menschen. In der Medizin ist es ganz besonders wichtig, weil da die Angst so groß ist. Und ich glaube, diese Achse ist durch nichts zu ersetzen. Wir müssen sehr kreativ sein, welche Möglichkeiten wir sonst nützen. Aber diese Achse, vertrauensvolle Verhältnisse von Mensch zu Mensch, auch von Arzt zu Patient, immer zu ermöglichen, ist das entscheidende Element. Das andere war ein langes Thema, worüber wir auch durchaus reden können. Zu Vertrauen gehört immer die Kommunikationssicherheit dazu. In unserem Fall Gebärdensprache.