Diesmal zu Gast bei „In die Hand Nehmen“: Samira Lehmann und Angelika Lepper. Die Beiden gehörlosen Schauspielerinnen sind Teil des Kurzfilms „Dröhnende Stille“. Der Film von Sander Mudde erscheint am 1. Mai.2024 und ist zu einem großen Teil auf ÖGS. Wir haben und mit den drein zum Interview getroffen.
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*Transkript des lautsprachlichen Interviews. Einige Antworten wurden grammatikalisch leicht verändert, um die Verständlichkeit zu verbessern.
Sander Mudde: Es geht um eine Kleinfamilie mit einer gehörlosen Tochter. Die Tochter ist die jüngste und hat einen älteren Bruder. Im Laufe der Geschichte bringt sich der Bruder um.
Der Film geht damit weiter, wie die Familie damit umgeht. Es geht vor allem darum, dass eben die junge Schwester die Eltern wieder zurück ins Leben bringt und sagt, dass es wieder besser werden kann.
GWTV: Wie war das für dich als Regisseur hinter der Kamera zu stehen und zu sehen, wie deine Schauspieler:innen eine Sprache sprechen, die du nicht verstehst?
Sander Mudde: Es war mein erstes echtes Regie-Projekt und ich hatte sehr viel Hilfe davor und während der Zeit. Auch schon beim Casting hat sich einfach so ein Kameramann gemeldet, der auch selber gehörlos ist, der mir gerne die Bildsprache für Gebärdensprache beibringen wollte und wie man das am besten filmt.
Wir hatten mehrere Dolmetscher am Set. Auch die Mutter von Samira, die die Hauptrolle spielt, hat ab und zu auch gedolmetscht. Die andere gehörlose Schauspielerin, die die Rolle der Hanna hat, war auch an anderen Tagen am Set und hat geschaut, dass die Gebärdensprache, die auch die anderen Schauspieler noch nicht konnten oder nur teilweise konnten, passt.
Ja, in der Preproduktion hatten wir auch, dass die Dolmetscherin, die beim Casting geholfen hat, gratis die Gebärdensprache-Dialoge für uns gefilmt. Die Schauspieler haben dann bei sich selber üben können,
bis wir dann mit Angelika, die die Figur Hanna spielt auch in den Proben auch auf deren Gebärdensprache geachtet. Sie hat viel mehr gemacht, als ich erwartet hatte. Also es war ein sehr gutes Gefühl,
dass so viele Leute helfen wollten.
GWTV: Wie viel gebärdensprachliche Personen waren am Set?
Sander Mudde: Vom Team war keiner wirklich gehörlos, außer die Dolmetscher. Wir hatten pro Tag mindestens einen Dolmetscher am Set. Und wenn wir keinen Dolmetscher hatten, dann war es die Mutter oder auch der Vater von Samira, die uns da geholfen haben. Die Angelika, die auch, obwohl sie an manchen Tagen keinen Dreh hatte, war trotzdem am Set und hat darauf geachtet.
GWTV: Was war für dich als Regisseur die größte Herausforderung?
Sander Mudde: Wenn man erst mal mit einer Person kommunizieren muss, um dann mit der dritten Person zu sprechen, ist das halt immer ein hin und her. Ich hatte auch einen Whiteboard-Marker, auf dem ich was aufschreiben konnte. Aber die haben wir kaum verwendet.
Wie hast du deinen Cast gefunden?
GWTV: Wie hast du deinen Cast gefunden?
Sander Mudde: Die Gehörlosenwelt war sehr sehr hilfreich. Sie wollten alle helfen. Ich habe Equalizent angeschrieben, die haben den Casting-Call weitergeleitet. Auf Facebook gab es einen Gebärdensprach-Stammtischgruppe, die auch das Casting weitergeleitet hat. Christoph Kopal, der Kameramann, hat seine Hilfe gratis auch angeboten. Die Dolmetscher, die gratis diese Videos gemacht haben.
Wir hatten dann insgesamt für die Kinder-Rolle zwei Mädchen, die gehörlos waren. Eigentlich war die Rolle als sechs Jährige ausgeschrieben. Dann fiel der Julia Saarinen, die beim Bayrischen Rundfunk arbeitet und auch Theater-Gruppen macht, jemand ein. Sie hat mir die Samira extrem empfohlen. Das andere Kind war von aussehen her, von der Freude her wunderbar, aber mit einem 6 Jahre altem Kind
ist es auch schwierig mit Text lernen. Also hat Samira die Rolle gespielt. Mein Freund, der beim Casting geholfen hat, der hat auch mehr Castingerfahrung gehabt. Der hat gesagt, wenn du die nicht nimmst, dann läuft er vom Projekt weg.
GWTV: Wie bist du auf die Idee gekommen, eine gehörlose Schauspielerin als hörend darzustellen?
Sander Mudde: Ich wollte auf jeden Fall, dass die Angelika dabei ist. Also haben wir so getan, als ob sie im Film halt Hörende ist. Dass der Charakter von Samira noch immer isoliert ist.
Weil im Drehbuch ist die ganze Familie hörend, die Umwelt ist hörend und dann ist man immer in einer kleinen eigenen Welt eingeschlossen.
Nach dem Tod vom Bruder sind wir im Kriseninterventionszentrum, wo mit den Eltern gesprochen wird. Irgendjemand muss halt das Kind ablenken. Das war dann die Rolle von dieser Hanna, die dann auch Comfort (Trost) gegeben hat. Und auch das symbolische Reh, das im Film vorkommt, als Stofftier überreicht. Und so haben wir die Motivation und Drive von Angelika für das Projekt on-screen verwenden können, weil sie war einfach sehr enthusiastisch. Sie wollte unbedingt mitmachen. Und dann haben wir uns gedacht: “Wir schauen, dass wir dich irgendwie reinbekommen.”
GWTV: Kann man sich als Regisseur, der nicht Gebärdensprache kann, sicher sein, ob das alles richtig ist, was gebärdet wird?
Sander Mudde: Ich habe mich auf alle andere verlassen müssen, weil es für mich doch eine andere Welt ist. Ja, also…. Ich bin dabei die Gebärdensprache mir langsam auch selber beizubringen, ich werde auch wenn es zeitlich passt einen Kurs machen, damit ich weiter so machen kann und auch diese Sprache fördern kann.
GWTV: Wirst du noch einen Film auf Gebärdensprache machen?
Sander Mudde: Ja, erst wenn ich der Sprache wirklich mächtig bin. Aber es wurde mir schon auch von Kollegen gesagt, dass ich da auch noch in dieser Schiene weitermachen sollte. Werde ich auch gerne machen. Wie gesagt, es muss halt von meinem Sprachniveau ordentlich besser werden. Und es muss natürlich kulturell akzeptabel sein. Natürlich muss die Geschichte auch passen.