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„Gemeinsam gegen Gewalt“: Interview zur neuen Ausstellung

Nur gemeinsam können wir Gewalt an Frauen bekämpfen. Darum geht es in der neuen Ausstellung von VHS und Frauenservice Wien. Wir waren mit dabei.
 

Transkript:

Amanda: Hallo! Wo bin ich hier? Es gibt eine Ausstellung in VHS im 11ten Bezirk, Simmering. In der Ausstellung geht es um Gewalt an Frauen. Warum bin ich hier gekommen? Hier wird Barrierefreiheit angeboten. Als Beispiel werden Videos in ÖGS gespielt und die Texte sind auch in Brailleschrift dabei. Heute führen wir ein Interview mit die zwei Expertinnen für diese Ausstellung.

 

Stephanie Kiessling – Frauenservice Wien: Die VHS hat die Ausstellung zum Thema Gewalt gegen Frauen gemeinsam mit dem Frauenservice Wien erstellt. Wie ist es zu dazu gekommen? Wir haben im Jahr 2018 eine Studie gemacht zum Thema Frauen mit Behinderungen und haben unterschiedliche Frauengruppen befragt: Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen. Wir wollten wissen, was sie brauchen, was ihre Bedürfnisse sind und wo es Probleme gibt. Es waren sehr unterschiedliche Gruppen: Frauen im Rollstuhl, gehörlose Frauen, Frauen mit Lernschwierigkeiten und sehbeeinträchtigte Frauen.

Natürlich waren da die Anforderungen und Wünsche sehr unterschiedlich. Aber eine Sache war sehr zentral, die hat alle Gruppen miteinander verbunden. Das war der Wunsch nach Sichtbarkeit. Das heißt, Frauen mit Behinderungen sichtbar zu machen, und zwar in einem positiven Sinne. Also nicht am Defizit orientiert, sondern selbstbewusst und laut und stark.

Und das andere war ein leichterer Zugang zu Information. Das haben alle Gruppen einheitlich formuliert. Und wir haben mit einer Architektin dann gemeinsam dieses Objekt entwickelt und bauen lassen und getestet und Workshops gemacht und verbessert und verändert. Und haben uns so herangetastet, bis schlussendlich dieses Objekt fertig geworden ist. Und das haben wir dann im November 2021 präsentiert.

Und da war erfreulicherweise Kolleg*innen von der VHS dabei, die von diesem Objekt sehr angetan waren. Und das ist die Entstehungsgeschichte. Und natürlich ist das Thema Gewalt gegen Frauen oder Frauen, die von Gewalt betroffen sind, ein ganz zentrales Thema auch in der Arbeit des Frauen Service. Wir betreiben den Frauennotruf, wir haben Beratungs-Einrichtungen. Und wie Sie ja wahrscheinlich wissen, sind Frauen besonders von Gewalt betroffen.

Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen sind nochmals stärker von Gewalt in den unterschiedlichsten Formen betroffen. Das heißt, das ist unsere Agenda im Frauenservice, dass wir dieses Thema bearbeiten und aufgreifen. Es findet jeden November startend mit dem 25. die 16 Tage gegen Gewalt statt. Und das war der Ausgangspunkt. Die VHS ist an uns herangetreten und hat gesagt, sie würden gerne etwas zum Thema Gewalt gegen Frauen machen.

Wir haben gesagt „Ja, gerne“, wir hätten da auch dieses Modul, das sich optimal anbieten würde. Es war klar, dass wir das kombinieren wollen. Und das war der Grund, warum die Ausstellung barrierefrei gestaltet ist.

 

GW: Können Sie vielleicht erklären, was das genau heißt und inwiefern die Ausstellung barrierefrei ist?

 

Kiessling: Ja, die Barrierefreiheit ist sehr umfassend, zumindest in unserem Verständnis. Oftmals wird ja Barrierefreiheit nur als bauliche Barriere verstanden. Wir haben wirklich versucht, für möglichst viele Menschen ein Angebot zu schaffen, das für sie zugänglich ist, das inklusiv ist. Das heißt, wir haben alle Informationen in Brailleschrift aufbereitet. Das sieht man an diesen Folien, wo man die Texte in Brailleschrift lesen kann.

Ja, die Barrierefreiheit ist sehr umfassend, zumindest in unserem Verständnis. Oftmals wird ja Barrierefreiheit nur als bauliche Barriere verstanden. Wir haben wirklich versucht, für möglichst viele Menschen ein Angebot zu schaffen, das für sie zugänglich ist, das inklusiv ist. Das heißt, wir haben alle Informationen in Brailleschrift aufbereitet. Das sieht man an diesen Folien, wo man die Texte in Brailleschrift lesen kann. Wir haben alle Inhalte in Leichte Sprache übersetzt, die man hier sehen kann. Und wir haben auch alle Inhalte in Österreichische Gebärdensprache übersetzen lassen anhand sogenannter Multi-Sensoren. Das sind kleine Bildschirme, wo man sich diese Videos anschauen kann. Also wir verstehen Barrierefreiheit wirklich in einem sehr umfassenden Sinne.

Betina Aumair: Gemeinsam gegen Gewalt bedeutet, dass nicht nur Betroffene von Gewalt für sich selber verantwortlich sind, gegen Gewalt aufzustehen, sondern es bedeutet „Wir alle als Gesellschaft sind dafür verantwortlich“. Wir müssen hinschauen. Wir müssen uns dagegen aussprechen. Wir müssen Unterstützung leisten. Und deshalb ist es auch die Forderung, dass wir gemeinsam gegen Gewalt vorgehen. Wir haben uns auf drei Themen fokussiert in dieser Ausstellung.

Es gibt ganz unterschiedliche Gewaltformen. In den Medien wird sehr häufig von körperlicher Gewalt gesprochen. Aber körperliche Gewalt ist nur eine Form von Gewalt. Es gibt sexuelle Gewalt, es gibt wirtschaftliche Gewalt, es gibt psychische Gewalt, also ganz viele unterschiedliche Formen und Gewalt findet auch an unterschiedlichen Orten statt.

Zwei Orte, die ganz wichtig sind, ist einerseits der häusliche Bereich. Das heißt Gewalt in Beziehungen, Gewalt in Familien, wo Frauen ganz besonders Gewalt ausgesetzt sind.Das heißt, das ist ein ganz wichtiger Ort. Und wir haben andererseits auch das Internet, das immer mehr Gewalt gegen Frauen und Mädchen Platz macht. Und weil diese beiden Orte die häufigsten sind, wo Frauen und Mädchen Gewalt ausgesetzt sind, haben wir hier einen Schwerpunkt gelegt.

Und wir haben noch einen Schwerpunkt. Das ist die strukturelle Gewalt. Strukturelle Gewalt bedeutet, dass Gewalt nicht von einer Person ausgeht, sondern von der Gesellschaft oder vom Staat.

Zum Beispiel, dass Frauen weniger verdienen, ist eine Form von struktureller Gewalt. Das führt dazu, dass Frauen finanziell abhängig sind vom Partner oder von der Familie. Besonders schwierig ist es, wenn auch Kinder im Spiel sind. Dann ist es noch ein Stück schwieriger, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu befreien. Deswegen ist es ganz wichtig, dass strukturelle Gewalt hier auch ein Thema ist.

 

GW: Jetzt eine andere inhaltliche Frage: Wenn eine Frau Gewalt ausgesetzt ist, egal in welcher Form, was sollte sie am besten tun? Gibt es gute Ratschläge, die man geben kann für unsere Zuseher*innen?

 

Betina Aumair: Wenn Sie als Frau von Gewalt betroffen sind, ist es wichtig, sich nicht die Schuld zu geben, sich nicht dafür zu schämen und sich Unterstützung zu holen.

Unterstützung gibt es in ganz unterschiedlichen Formen. Einerseits natürlich mit Menschen sprechen, denen sie vertrauen. Das gilt auch vor allem für junge Mädchen, sich an Freundinnen oder an Freunde wenden und Beratungsstellen der Stadt Wien aufzusuchen. Zum Beispiel den Frauennotruf. Dort können Sie anrufen und gemeinsam mit der Beraterin besprechen, was die nächsten Schritte sein können. In akuten Situationen rufen sie die Polizei.

Eine andere Möglichkeit ist natürlich auch, ein Frauenhaus aufzusuchen. Ganz wichtig ist auch für Menschen, die Frauen kennen, oder Mädchen, die von Gewalt betroffen sind, hinzuschauen. Und auch sie können eine Beratungsstelle anrufen und sich dort Informationen holen, wie sie die Frau, die von Gewalt betroffen ist, unterstützen können.

Die barrierefreie Ausstellung „Gewalt gegen Frauen“ ist eine Wanderausstellung an den Wiener Volkshochschulen. Sie können sie an unterschiedlichen Orten besuchen. Der nächste Ort, an dem die Ausstellung sein wird, ist die VHS Favoriten. In Favoriten wird sie bis zum 10. März 2023 sein. Danach wandert sie weiter nach Floridsdorf. Dort wird sie bis Ende März sein und dann als letzte Station an der VHS Seestadt bis zum 12. Mai. Begleitend dazu bieten wir auch gemeinsam mit dem Frauenservice Vorträge dazu an. Es gibt auch die Möglichkeit, Ausstellungs-Führungen zu buchen oder Workshops, auch in leichter und einfacher Sprache für Schulklassen zum Beispiel, aber auch Vereine oder Unternehmen.

Wenn Sie eine Ausstellung buchen möchten oder einen Workshop, dann schreiben Sie uns eine Email oder rufen Sie uns an. Wir freuen uns über Besucherinnen und Besucher.

 

Amanda: Ich habe diese Ausstellung besucht. Das Thema ist tabu, aber diese Ausstellung bricht das Tabu und zeigt, wie Frauen sich vor Gewalt schützen. Das ist ein wichtiges Thema. Wir tauschen uns darüber wenig aus. Es wäre toll, wenn ihr die Ausstellung besuchen und wichtige Informationen holen könntet. Viele wissen nicht, wo man Hilfe holen kann. Es gibt Erklärungen auf ÖGS. Die Ausstellung „Gewalt an Frauen“ findet bis 12. Mai statt. Mehr Informationen zu der Ausstellung findest du unter diesem Link. 

Foto/Video Credits: VHS / Frauenservice Wien / Gebärdenwelt.tv
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