„Wir wissen aus Forschungsarbeiten, dass die Leidensbelastung viel höher ist. Höhere Raten von Erkrankungen wurden gefunden. Viel höhere Belastungen durch Stresssymptome sind belegt. Jetzt passt das gar nicht zusammen – größere Barrieren und größere Belastungen.“
*Alternativlink zum Video: Fachleute aus dem Gesundheitsbereich: Johannes Fellinger – Youtube
Gesundheit ist ein Geschenk, aber auch eine große Verantwortung für jeden Einzelnen und auch für die gesamte Gesellschaft. Die Arbeit an der Gesundheit umfasst nicht nur Erste Hilfe bei Krankheiten, sondern auch alle Bemühungen rund um Vorbeugung von Krankheiten. Letztlich geht es darum, gesellschaftlich die Gesundheitskompetenz der Mitbürger:innen zu fördern. Was heißt denn Gesundheitskompetenz? Das heißt, über wichtige gesundheitliche Zusammenhänge etwas zu wissen und dieses Wissen auch in einer hohen Eigenverantwortlichkeit umzusetzen. Gesunder Lebensstil, Vermeiden von sinnlosen Gesundheitsbelastungen wie Rauchen, usw., gehört genauso dazu wie das Wissen von Früherkennungszeichen von Krankheiten.
Was ist nun bei gehörlosen Menschen so besonders? Wir wissen aus zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, dass der Zugang zu Gesundheitsdiensten sehr erschwert ist. Das ist aber nur eine Seite des Problems. Die andere Seite ist: Wir wissen aus Forschungsarbeiten, dass die Leidensbelastung viel höher ist. Höhere Raten von Erkrankungen wurden gefunden. Viel höhere Belastungen durch Stresssymptome sind belegt.
Jetzt passt das gar nicht zusammen – größere Barrieren und größere Belastungen. In einem Bild, das im Lancet veröffentlicht wurde, habe ich das auch gemalt. Man sieht das große Tor, wo die Mehrheitsbevölkerung mit den kleinen Rucksäcken reingeht, und diese enge Tür, wo die Gehörlosen mit ihren großen Rucksäcken stecken bleiben.
Das Problem haben wir nicht nur im Bereich der psychosozialen Gesundheit, sondern ganz allgemein in der Gesundheitsversorgung. Viele glauben, ein Dolmetscher löst das Problem. Ja, ein Dolmetscher übersetzt. Aber die Gesundheitskompetenz hat ja damit zu tun, dass man weiß, worum es geht. Wenn der Inhalt, der Gesundheitsthemen nicht klar ist, hilft auch Dolmetschung nur begrenzt.
Und darum ist auch eine neue und wichtige Möglichkeit – in Österreich seit 30 Jahren oder mehr als 30 Jahren – auch in einigen Plätzen realisiert. Diese Ambulanz für Gehörlose im Sinne eines Gesundheitszentrums, wo nicht nur gebärdensprachkompetente Fachleute arbeiten, sondern auch Gesundheitsbildung aktiv mit dem einzelnen Patienten durchgemacht wird und auch mit der Gehörlosencommunity im Größeren, durch Gesundheitstage realisiert wird.
Es ist ein Miteinander von gehörlosensensitiven Mitarbeitenden, Ärzten, Pflege-Fachleute, Sozialarbeiter – weil auch die soziale Gesundheit gehört dazu – und Dolmetschern, die wiederum im Gesundheitssystem Begleitungen durchführen. Wir haben diese Ambulanzen, in Krankenhäusern lokalisiert, weil wir all diese Möglichkeiten – Röntgen, andere Fachabteilungen, Labors – mitnutzen können und wiederum in einer One-Stop-Strategie die Information zum behandelnden Arzt bringen, der wiederum oder die wiederum mit dem Patienten, Gesundheitskompetenz aufbauend, die Dinge erklärt und auch die Mitarbeit so garantiert.
Dieser Weg ist in Österreich angebrochen. Wir haben in Linz, Wien, Salzburg, Graz, auch in Klagenfurt eine kleine Ambulanz. Es sollte weitergeführt werden. Es ist auch ein wichtiges Thema für die Menschen, die alt werden. Gehörlose werden älter und weniger mobil. Diese Ambulanzen haben auch einen ganz starken Auftrag, die Gehörlosen im Alter ganz besonders ins Augenmerk zu nehmen. Ihr soziales Netzwerk ist ihre Überlebenschance. In Linz holen wir sie auch zusammen in ein Tageszentrum. Gesundheit hat nicht nur klassisch medizinische Aspekte sondern auch viele soziale Aspekte. Das soziale Netzwerk ist ein zentrales gerade für gehörlose Menschen.
Das waren einige Beispiele zum Thema Gesundheit für gehörlose Menschen – eine echte Herausforderung, die die Gesellschaft aber positiv angehen darf. Es gibt von gehörlosen Menschen so viel zu lernen. Sie sind ein ganz wichtiger Teil des gesamtgesellschaftlichen Prozesses. Mögen die Gesundheitsdienste helfen, die Gehörlosengemeinschaft gesund zu unterstützen.