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Fachgespräch: Astrid Amadori von Wien Work

Astrid Amadori berichtet von der Lehrlingsausbildung bei Wien Work, zeigt uns welche Herausforderungen die Berufswelt für Jugendliche bereithält und gibt uns einen spannenden Einblick, welche Unterstützung Lehrlinge auf ihrem beruflichen Weg erfahren.

 

Mit welchen Vorstellungen und welchen Sorgen kommen gehörlose oder schwerhörige Schulabsolvent*innen zu Ihnen?

Erstmal genau die gleichen Sorgen wie alle anderen, ob hörend oder nicht hörend. Die Ängste sind etwas Ungewohntes, etwas Neues, ein neuer Abschnitt beginnt. Da sind viele Unsicherheiten. Vielleicht hat sich jemand einen Beruf ausgewählt, aber ist sich noch nicht sicher, ob dass das Richtige ist. Für gehörlose Lehrlinge ist nochmal zusätzlich die Sorge: “Werde ich mit anderen Gehörlosen überhaupt noch zusammen sein, in meiner Ausbildung?”. Ich glaube das ist ein Hauptpunkt, die Hauptsorge. Und wie es dann weiter geht.

Welche Lehrberufe werden besonders gerne oder besonders oft von gehörlosen Jugendlichen angestrebt?

Momentan bei uns Koch/Köchin.  Aktuell haben wir zwei Köche da und nächste Woche beginnt eine Köchin. Das heißt da hat sich etwas gebildet, das entwickelt dann wahrscheinlich eine Eigendynamik. Die Jugendlichen sehen, da sind schon zwei Gehörlose, das wäre was für mich, da kann ich auch anfangen. Wir haben aber auch noch einen gehörlosen Gärtner, der seine Lehre als volle Lehre gestartet hat. Also den gleichwertigen Abschluss wie alle anderen erlangen wird. Und einen gehörlosen Fliesenleger haben wir und in der Textilreinigung gibt es auch noch einen Lehrling.

Wie sieht die Lehrlingsausbildung aus? Gibt es hier auch ein duales System, bestehend aus Betrieb und Berufsschule?

Genau dasselbe haben wir auch. In dem Fall sind wir der Betrieb. Wir haben hier diese Werkstätte und unsere Küche ist ein reales Restaurant, das zu Mittag einen Mittagstisch anbietet für Mitarbeiter*innen oder auch externe Gäste. Das heißt wir sind der Betrieb. Die Berufsschule ist ein „Kann“, wir haben ja auch die Teilqualifikation, da gehen die Lehrlinge nicht in die Berufsschule. Aber jetzt gehen unsere gehörlosen Lehrlinge ganz normal in die Berufsschule, bis auf einen. Sie lernen dort den ganz normalen Unterrichtsstoff, wir unterstützen sie hier in unserem Unterricht aber auch nochmal.

Gibt es im Unterricht in der Berufsschule Gebärdensprachdolmetscher*innen?

Genau, da stehen Gebärdensprachdolmetscher*innen zur Verfügung. Wir haben uns bemüht, dass auch mehr Kommunikationsassistenz stattfindet, vor Ort. Wir haben bemerkt, dass es sinnvoller wäre, wenn nochmal zusätzlich jemand erklärt und mithilft, ein bisschen als Unterstützung. Derweil sind es Dolmetscher*innen und es läuft recht gut.

Welche Ausbildung haben die Kommunikationsassistent*innen?

Die haben keinen Universitätsabschluss, haben eine Ausbildung mit mindestens B2 Level, es kann aber auch höher sein. Sie haben aber auch eine andere Funktion. Sie sind immer dem Lehrling als Unterstützung zur Seite gestellt, während die Dolmetscher*innen das dolmetschen, was das Lehrpersonal von der Berufsschule lehren möchte. Sie haben keine Kapazitäten dauernd da zu sein oder zu üben, es geht in erster Linie um das Übersetzen.

Werden die Kosten dafür vom Fonds Soziales Wien übernommen?

Genau.

Dauert die Lehre für gehörlose Lehrlinge gleich lang wie für hörende?

Wir haben generell ein längeres Programm, die verlängerte Lehre dauert vier Jahre. Die reguläre Lehre, ich sage einmal „draußen“, ist ja drei Jahre. Wir haben hier vier Jahre, damit mehr Ruhe ist und man sich vorbereiten kann. Da gibt es eine Vorbereitungsphase, in der man langsam reinkommt, wieder in die Schule zu gehen, wieder diesen Arbeitsweltrhythmus zu haben. Das machen die gehörlosen Lehrlinge gleichermaßen, die haben natürlich auch die verlängerte Lehre und haben auch mehr Zeit.

Inwieweit begleiten Sie Ihre Lehrabsolvent*innen nach der Lehrabschlussprüfung?

Das ist natürlich unser oberstes Ziel. Die Prüfung zu schaffen ist die erste Hürde, das erste Ziel. Danach im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es gibt immer die Idee die Lehrlinge gleich hier anzustellen bei Wien Work. Aber nein, wir versuchen wirklich in diesen sogenannten ersten Arbeitsmarkt die Lehrlinge reinzubringen. Da unterstützt unser „Outplacement“. Das sind Personen, die dafür zuständig sind, die Lehrlinge wo einzusetzen. Sie kümmern sich auch schon die gesamte Lehrzeit über darum, dass Praktika absolviert werden. Das heißt die Lehrlinge sind nicht nur bei uns, es ist verpflichtend Teil der Ausbildung auch draußen etwas zu machen. Das ist sehr wichtig und macht den Lehrlingen auch total Spaß. Das Outplacement schaut schon vor der Lehrabschlussprüfung, was es geben könnte, und hilft beim Bewerbungen Schreiben und Schicken. Die Lehrlinge möchten natürlich erst einmal die Prüfung machen und ein bisschen runterkommen, aber man weiß, dass wenn die Pause erstmal da ist, ist es schwierig wieder reinzukommen. Also bemühen wir uns gleich, dass es weiter geht.

Was möchten Sie uns noch erzählen?

Über die Ausbildung kann ich nur sagen, dass wir sehr froh sind, dass wir hier die Möglichkeit haben, dass wir die Lehrlinge auch mit unserem fachpädagogischen Unterricht unterstützen. Weil es auch ganz wichtig ist, dass die gehörlosen Lehrlinge einmal pro Woche bei uns zusammenkommen. Das ist auch Socializing. Die Köche sind eifrig beschäftigt in der Küche, drüben in unserer Zentrale. Der Fliesenleger ist hier in der Werkstatt, der Gärtner und die Textilreinigung auch. Und so können dann auch alle einmal zusammenkommen und wir unterhalten uns über wichtige Themen, sprechen uns ab, machen auch einmal allgemeinen Unterricht über Allgemeinwissen oder es kommen Vorschläge, was sie heute besprechen wollen. Aktuelle Themen, politische Themen wie der Krieg jetzt gerade. Aber für den Fachunterricht, wenn Berufsschularbeiten anstehen müssen wir natürlich lernen, diese fachspezifischen Aufgaben. Es freut mich besonders, dass sich unsere Lehrlinge auch untereinander so gut verstehen. Sie kommen gerne hierher zum Unterricht, diesem Treffen. Das möchten wir mit meiner zweiten Kollegin jetzt ausbauen und ein bisschen erweitern.

Sehen Sie die Gebärdensprache als Grund für die Gruppenbildung von gehörlosen Lehrlingen in bestimmten Lehrberufen?

Oder auch das Attraktive. Wir hatten jetzt Tag der offenen Tür und bei der Führung kam eine Gruppe gehörloser Jugendlicher, sie wurden auch herumgeführt. Man hat gleich bemerkt, dass es in der Küche etwas zum Sehen gab. Dass ein gehörloser Lehrling erklärt hat, was er macht. Auch bei den Fliesenlegern hat der Lehrling aktiv vorgezeigt, was seine Arbeit ist. Dadurch wird natürlich Interesse geweckt und so bilden sich dann diese Cluster. Das ist glaub ich ganz normal und gut so.

Wie wird der Kontakt zu den Lehrlingen hergestellt? Sprechen Sie die Schulen an oder kommen die Schulen zu Ihnen?

Teils, teils – es ist ganz unterschiedlich. Auf Elterninitiative, die Eltern sagen: “Das wäre das Richtige für dich, schau es doch mal an.”. Aber auch ganz wichtig ist dieser Tag der offenen Tür, weil da kommen die Schulklassen gesammelt zu uns, die in Frage kommen würden. Da kann sich jeder alles in Ruhe anschauen. Also es entscheiden dann die Eltern, die Schule schlägt es vor, wenn der Jugendliche oder das Kind in einer WG wohnt auch der Betreuer. Oder Sozialarbeiter*innen schlagen das vor. Das ist wirklich ganz verschieden. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten.

Wann findet dieser Tag der offenen Tür statt?

Im Jänner, dann ist er verschoben worden auf März, aber es ist üblicherweise im Winter. Damit die Jugendlichen genug Zeit haben zu starten und sich zu überlegen, da im September üblicherweise die Berufsschule losgeht. Man kann bei uns auch mitten im Jahr einsteigen, so ist das nicht. Aber wir machen es absichtlich im Winter damit genug Zeit ist bis zum September, wo es dann losgehen würde.

Wird der Termin im Internet angekündigt?

Wir sind im Internet, auf Facebook und da werden Termine angekündigt.

Was wünschen Sie Ihren Lehrlingen?

Das ist wirklich klar, was ich mir wünsche. Dass sie glücklich sind, dass ihnen die Lehre Spaß macht, dass sie Freude haben, auch mit ihren Kollegen Spaß haben. Ich wünsche mir natürlich auch, dass sie später ins Berufsleben starten und dort Anschluss finden. Alles, was man Jugendlichen so wünscht. Dass sie da gut reinkommen und ein gutes Leben haben.

Foto/Video Credits: OEGLB / Gebärdenwelt.Tv
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