Der blinde Pararuderer David Erkinger ist nicht nur Vizeweltmeister, sondern auch Wiener Sportler des Jahres mit Behinderung. Im Interview erzählt er über seine Erfolge und die Hindernisse, die er gemeistert hat.
Transkript des Interviews:
GW: Du bist schon zweimal mit deiner Teamkollegin Johanna Beyer Vizeweltmeister geworden. Was kannst du uns etwas davon erzählen?
David Erkinger: Ja, sehr gerne. Also ich habe, so wie du schon erwähnt hast, zweimal Vizeweltmeister werden dürfen. Und es waren eigentlich sehr große Erlebnisse in meiner bisherigen sportlichen Karriere und es war einfach überwältigend. Speziell, als ich meine erste Silbermedaille gewonnen habe, weil das war bei der WM. Das ist deine erste große, richtig, richtig große internationale Regatta und man ist nervös. Und dann kommst du ins Ziel!
Nach der großen Anstrengung ist man richtig fertig und dann kommt die Siegerehrung. Und das ist auch echt cool, wenn du da stehst und dein Land repräsentieren kannst.
GW: Was ist anders an Pararudern?
David Erkinger: Also ich denke mal vom Technischen: Also man muss immer unterscheiden: Bei uns im Pararudern wird es eigentlich eingeordnet in PR eins, zwei und drei. Das PR steht immer für Para-Rowing. PR-1 definiert die Kategorie der Ruderer, die in der Theorie nur eine Schulter verwenden können. PR-2, die den Oberkörper, Arme und Schultern verwenden können und PR drei is es dann jene Kategorie, wo die Athleten mit Behinderung die komplette Ruderbewegung ausüben können.
Wir wären auch bei denen, die nur die Schultern und Arme bewegen können: Die haben am Boot auch noch sogenannte Schwimmer für die Stabilität im Boot, da bei denen auch teilweise die Stabilität im Oberkörper fehlt, da sie eine Lähmung haben. Bei uns jetzt im PR-3 Bereich gibt es aktuell auch zwei paralympische Bootsklassen: Der Mixed-Double-2, in dem ich auch an den Start gehe, und der gesteuerte Mixed-Vierer. Und bei den anderen ist es so, dass es eigentlich nur rein geschlechtliche Bootsklassen gibt und auch viel mehr Bootsklassen, die olympisch sind.
GW: Du ruderst gemeinsam mit einer Kollegin. Du bist sehbehindert, kann deine Ruderpartnerin sehen?
David Erkinger: Ja, genau da ist es so ganz normal. Ihre Beeinträchtigung ist, dass ihr das rechte Bein inklusive dem Beckenknochen fehlt.
GW: Dieses Jahr bist du vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig zum Sportler des Jahres mit Behinderungen gekürt worden. Wie war das?
David Erkinger: Voll. Es war ein bisschen unbeschreibbar, weil du bist dort bei dieser Gala der Wiener Sportstars und dann geht es zur Kategorie der Sportler mit Behinderung. Und es war im ersten Moment so unvorstellbar, dass ich da eigentlich gekürt wurde zum Sportler des Jahres mit Behinderung in Wien. Und es war schon sehr emotional und ich habe auch 2 bis 3 Tage gebraucht, um es zu realisieren, weil es ja doch eine sehr große Ehrung ist. Auch für die ganzen Erfolge, die ich in der Vergangenheit feiern durfte.
GW: Also das gehört für dich zu einem deiner prägendsten Momente. Hast du vielleicht noch so ein Moment beim Wettkampf selbst, dass du uns mitteilen willst?
David Erkinger: Ich denke, was auch sehr prägend war, war doch meine erste WM-Medaille. Weil es doch so ist, dass man, wenn man diese Medaille gewinnt und dort stehen darf, ist das ja auch sehr, sehr emotional und jeder Sportler möchte dieses Gefühl wieder erreichen oder bekommen dürfen. Ich denke, dass das auch ein prägender Moment in meinem Leben und sportlicher Karriere war.
GW: Wie sieht dein Trainingsalltag aus?
David Erkinger: Na ja, das ist eigentlich in der Regel… Also es ist so, dass eigentlich bis jetzt jeden Tag Training ist und war. In dem Training geht es nicht hauptsächlich nur immer prinzipiell ums Rudern, also Mass- oder Ergometer, sondern es ist Training, halt auch Krafttraining inkludiert und auch Yoga – Was mir persönlich hilft runterzukommen, zu entspannen, weil umso entspannter man ist, umso besser kann man auch den Leistungssport betreiben.
GW: Erzähle uns jetzt, wie dann der Wettkampftag selbst aussieht. Wie bereitest du dich davor?
David Erkinger: Also zum Beispiel jetzt bei der WM, ist es so: man kriegt im Laufe der Woche mitgeteilt, um welche Uhrzeit das Rennen ist. Dann teilt man sich das so ein, dass man genügend Zeit hat, um, per se, Mal von der Unterkunft an die Regatta-Strecke zu kommen – was jener Ort ist, wo dann der Wettkampf stattfindet. Dann plant man genügend Zeit ein, um sich aufzuwärmen.
Das Aufwärmen inkludiert einerseits am Ruder-Ergometer oder am Rad-Ergometer sich ein bisschen aufzuwärmen, dann mobilisieren. Dann kommt es dazu, dass man auch die Zeit noch einplant, das Boot zum Steg zu bringen, weil die Boote auch nicht immer gleich neben dem Steg liegen. Dann ist es auch noch so, dass man dann von diesem Steg zum Start rudern muss. Im Idealfall ist es auch so, dass wir auch noch eine Zeit einplanen, dass wir uns am Wasser noch mal explizit aufwärmen können, um den Körper noch einmal kurz zu reizen, damit der dann vorbereitet ist aufs Rennen.
GW: Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines Ruderers?
David Erkinger: Ich denke einfach geistig mal Spaß am Sport zu haben und auch Spaß zu haben, an der frischen Luft Sport zu machen. Und dass man keine Angst mehr hat vor dem Element Wasser, weil es in Wirklichkeit einem nichts tut. Physisch denke ich halt, du musst an deine Grenzen gehen und auch die Leidenschaft haben, den Körper an Grenzen zu bringen und auch diese Selbstdisziplin auch zu haben, zu denken: „Es schmerzt in den Muskeln, aber ich ziehe das jetzt durch mal, ich möchte dieses oder jenes erreichen.“
GW: Was waren die größten Hindernisse für dich bis jetzt?
David Erkinger: Also im privaten Leben, gab es sehr viele Barrieren im Bereich meiner bisherigen Ausbildung. Auch in der Schulausbildung, gab es immer Probleme, an die ich gestoßen bin. Da die Lehrer oder Institutionen nicht gewusst haben, wie sie mit meiner Behinderung umgehen sollen oder umgehen wollen. Da stoßt man an Barrieren. Und wenn man dann schlussendlich an eine Universität oder eine Fachhochschule kommt ist es auch immer so, dass es dann Probleme gibt bei der Aufbereitung der Unterlagen. Weil es dann auch immer so ist, dass alle denken, Barrierefreiheit inkludiert nur bauliche Gegebenheiten, obwohl in Barrierefreiheit inkludiert, sind Sachen wie Aufbereitung von Lernunterlagen. Dann die Beseitigung der Barrieren in den Köpfen der Vortragenden. Auch Barrieren, dass mal die Internetseiten, also die Webauftritte der FH, dementsprechend aufbereitet, dass ein Sehbehinderte diese auch ohne Probleme nutzen kann.
GW: Was wären die wichtigsten Maßnahmen, um die Inklusion von Personen mit Behinderung zu fördern?
David Erkinger: Ich denke einerseits, dass man auch schon so ein bisschen im Schulbereich ansetzt. Dass man teilweise den Kindern zeigt, welche Sachen es gibt. Weil die meisten Menschen wissen gar nicht was eine Blindleitlinie ist oder wofür sie da ist. Ich denke, umso früher man bei den Menschen anfängt – also ich denke mal in der Volksschule – umso besser, weil dann nehmen sie es auch mit in ihr späteres Leben.
Ich denke es wäre auch gut, eventuell auch in der späteren Schullaufbahn etwas einzuführen, wo Kindern in Workshops gezeigt wird, wie man mit allem umgeht. Ich denke auch dann später, dass die Lernunterlagen gleich für einen blinden Menschen aufbereitet werden müssen. Weil die Sache ist die, was die meisten vergessen: Was du für einen Blinden barrierefrei machst, nutzt auch der Person ohne Behinderung. Weil dadurch wird es auch für die einerseits übersichtlicher. Andererseits jeder wird immer mal älter, gebrechlicher oder sieht schlechter und das vergessen die meisten.
GW: Zurück zum Rudern: Was sind die nächsten Ziele? Wo findet das nächste Rennen statt?
David Erkinger: Also jetzt über den Winter ist ein bisschen Wettkampfpause. Der erste Wettkampf ist dann wieder im Jänner, die sogenannte Indoor-Meisterschaft. Die läuft so ab, dass man eigentlich auf dem Ruder-Ergometer – den kennen vielleicht einige aus den Fitnessstudios -auf dem bewältigt man auch eine Strecke von zwei Kilometern und versucht diese so schnell wie möglich zurückzulegen.
Dann geht es eben, ich denke, so Ende März, Anfang April, wieder mit den Regatten am Wasser los. Eines der größten Ziele wäre, dass ich es schaffe, mich mit meiner Partnerin nächstes Jahr bei der WM dann für die Paralympics in Paris zu qualifizieren.
GW: Was ist deine Botschaft an zukünftige Sportler*innen?
David Erkinger: Hab‘ immer Spaß an dem, was du tust und lass dich von den Barrieren, die auftauchen, nicht aus dem Konzept bringen. Weil, zumindest so war es bis jetzt immer bei mir, umso mehr Barrieren da waren, umso größer war der Wille, die zu bewältigen. Das bringt dich in deinem Sport auch immer weiter und du wirst entweder immer physisch oder mental stärker und du brauchst auch im Sport einfach eine mentale Stärke, um etwas zu erreichen. Das ist das, was die meisten unterschätzen und beim Kopf macht extrem viel ausmacht.