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DotDotDot-Sign Night: Alice Hu und Oliver Suchanek im Interview

Alice Xiaoshu Hu ist eine der bekanntesten Gebärdenperformerinnen in Österreich und China. Bei der Dotdotdot-Sign Night war sie in dem Film „Unfurl“ zu sehen. Zusammen mit Oliver Suchanek von Gebärdenverse sprechen wir über Ermächtigung, Kunst und Chancen in der Gebärdensprach-Community.

 

*Alternativlink zum Video: https://youtu.be/5L1cTjUcVgk

 

Gebärdenwelt.tv:  Alice, wie ist es wieder in Wien zu sein?

 

Alice Xiaoshu Hu: Ich bin schon jedes Jahr immer wieder Mal hier. Es fühlt sich an wie meine zweite Heimat. Ich komme am Flughafen an und kenn mich einfach aus hier. Ich weiß, wie ich fahren muss. Ich weiß, wo ich hin muss. Das ist einfach mein zweites Zuhause. Es stimmt eigentlich fast, dass ich fast die Hälfte dort und da verbracht habe. Ich war ungefähr 20 Jahre in China und 18 Jahre hier in Wien.  Wow, jetzt wisst ihr wie alt ich bin.

 

Oliver Suchanek: Dafür bist du weise.

 

Gebärdenwelt.tv: Heute war die große Sign-Night. Gebärdensprache und Gebärden-Poesie wurde hier ins Zentrum gesetzt. Warum ist das so wichtig?

 

Oliver Suchanek: Oh wow, große Frage.. Also es ist natürlich wichtig. Möchtest du antworten, Alice?

 

Alice Xiaoshu Hu: Ja, sehr gerne. Die Sign-Night ist sehr wichtig. Es ist ein Riesenprojekt und darum so wichtig. Man erreicht so einfach ein großes Publikum. Auf der Straße wurde z. B. für Sichtbarkeit gesorgt. Wer aus dem Fenster schaute, konnte gebärdende Personen auf eine Hausfassade projiziert sehen. So sehen die Leute und werden aufmerksam auf Gebärdensprache, unsere Muttersprache.

Wir gehörlose Menschen sind eine Minderheitengruppe. Als solche verstecken wir uns aber nicht.. Wir sind in der Öffentlichkeit sichtbar!
Wir zeigen welche Vielfalt unsere Sprache bietet. Gebärdensprache kann künstlerisch sein, kann eine Muttersprache sein, hat Grammatik.
Lautsprachen haben gewisse Strukturen.. Genauso folgen Gebärdensprachen einer eigenen Grammatik. Ja, das wollen wir einfach hervorheben.
Der Inhalt ist nicht erfunden.. Da wird nicht einfach fantasiert. In Lautsprache gibt es ja auch Poesie, eben verschriftlicht.Auch Gebärdensprachen kennen poetische Ausdrucksformen, die vorgetragen werden können. Gebärdensprachpoesie passiert jedoch auf der visuellen Ebene. Das bedeutet wiederum, Gebärdensprachpoesie ist für alle! Auch hörende Personen ohne Gebärdensprachkenntnisse können diese visuelle Ausdrucksform erfassen und wahrnehmen. Auch für gehörlose Personen ist das natürlich wahrnehmbar.

 

Oliver Suchanek: Da kann ich vielleicht gleich anschließen. Bei diesem Festival und anderen Veranstaltungen in Wien ist es natürlich wichtig, dass Dolmetscher:innen dabei sind. Sie dolmetschen da meist vom Deutschen in die ÖGS. Heute ist es umgekehrt! Die Ausgangssprache ist ÖGS, gedolmetscht wird ins Deutsche. Das finde ich einfach wichtig, dass auch diese Dolmetschrichtung sichtbar ist.

 

Alice Xiaoshu Hu: Ja, bzw. müsste man da jetzt auch an Englisch denken. Ja, natürlich ist es auch für das internationale Publikum wahrnehmbar.

 

Oliver Suchanek: Ja, genau.

 

Gebärdenwelt.tv: Wir haben Filme aus der ganzen Welt gesehen. Kann man sagen, dass Gebärden-Poesie, eine internationale Sprache ist?

 

Oliver Suchanek: Es ist eine Sprache mit vielen verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten.

 

Alice Xiaoshu Hu: Gebärdensprache-Poesie verwendet schon zum Teil Elemente aus International Sign. Wenn man jetzt sagt, das ist eine visuelle Sprache oder wird in visueller Kunstform dargestellt, dann ja. Wichtig ist einfach zu zeigen, dass Poesie ein Teil von Gebärdensprachen und ihrer großen Vielfalt ist. Auch VV, Visual-Vernacular, gehört in diese vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten hinein.
Gebärdensprach-Poesie, Gebärden-Musik und vieles mehr gehört da einfach zu diesen Unterkategorien.
Fällt dir noch etwas ein?

 

Oliver Suchanek: Nein, da war eh schon viel dabei.

 

Alice Xiaoshu Hu: Es gibt da einfach so viel.. Auch Kinder-Komik fällt mir jetzt noch ein. Das ist einfach eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Was es zeigt, ist, dass es diese Diversität gibt.
Egal ob im Theater, Fernsehen, Serien, usw. da darf man einfach eines nicht vergessen: Es gibt viele gehörlose Talente, die eingesetzt werden sollen. Die sollen da einfach im Rampenlicht stehen und ihre Talente zum Ausdruck bringen können.

 

Oliver Suchanek: Das war eine traumhafte Antwort.

 

Gebärdenwelt.tv: Viele der Filme waren mit sehr starken Emotionen vor allem Wut verbunden. Brauchen wir mehr Wut, um diese Barrieren zu überwinden?

 

Oliver Suchanek: Also meiner Meinung nach, lässt sich Wut sowieso in Kunst umwandeln und das kann man dann darstellen.

 

Alice Xiaoshu Hu: Meine Meinung ist, dass diese Filme diese Emotionen sehr realistisch gezeigt haben. Die Gehörlosen-Community ist einfach eine Minderheitengruppe, da wird man leider oft ignoriert oder marginalisiert. Ignoriert zu werden schafft auch ein Gefühl von Wut. Das wird hier einfach ganz realistisch gezeigt und ist für hörende Personen vielleicht sogar ein Denkanstoß. Gerade jetzt wo die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention besonders in den Medien ist, ist es wichtig, die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass sich noch vieles ändern muss. Gehörlose Personen arbeiten, haben einen Alltag wie jede andere Person, reisen, …. Diskriminierung, Audismus passiert aber weiterhin.. Auch wenn es vielleicht unbewusst ist, es passiert. Ich erlebe das schon oft.. Du wahrscheinlich auch.

 

Oliver Suchanek: Ja!

 

Alice Xiaoshu Hu: Wichtig ist, dass wir uns nicht unterkriegen lassen.. Wir werden laut und zeigen, wir nehmen das wahr. So kommt das dann auch an! Die Leute werden aufgefordert nachzudenken, wie kann ich es besser machen? Das Ziel ist Inklusion und das gemeinsame Miteinander.

 

Gebärdenwelt.tv:  Was ist die wichtigste Botschaft für jemanden, der deine Kunst zum ersten Mal sieht? Welche Botschaft ist hier besonders wichtig?

 

Oliver Suchanek: Wow, wieder eine besondere Frage.

 

Alice Xiaoshu Hu: Ich weiß nicht, wie ich das am besten formulieren kann.

 

Oliver Suchanek:  Lass es einfach raus.

 

Alice Xiaoshu Hu: Wichtig ist, dass Barrieren im Kopf abgebaut werden. Es geht um Offenheit, Toleranz, Akzeptanz, Vielfalt, Inklusion gehörloser Personen, … Wichtig ist, vielleicht ein bisschen Gebärdensprache zu lernen, oder bereit zu sein, sich körpersprachlich auszudrücken. So können wir Brücken zwischen den Gemeinschaften aufbauen.

Foto/Video Credits: Gebärdenwelt.tv
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