Das Thema Klimaschutz steht erneut in den Schlagzeilen. Aktivist*innen wollen Aufmerksamkeit schaffen und haben Hörsäle besetzt. Helene von „Die Erde Brennt“ erklärt, was sie mit ihrem Protest schaffen wollen.
Transkript des Interviews:
GW: Seit 16. November werden Uni-Hörsäle in Wien, Innsbruck und Salzburg besetzt. Was sind konkret eure Ziele?
Helene: Also wir haben drei verschiedene Forderungsstränge quasi: zur sozialen Krise, zur Bildungskrise und zur Klimakrise. Und da haben wir zu jedem, also zu jedem Themenbereich, quasi Forderungen ausgearbeitet. Zum Beispiel, was jetzt die Klimakrise betrifft: Raus aus fossilen Energieträgern, rein in erneuerbare Energien. Zur sozialen Krise ist unsere, ich sage wir mal Konkretes oder „Main“-Forderung, dass wir eine Übergewinnsteuer fordern. In Deutschland gibt es das schon. Warum in Österreich nicht? Und bei der Bildungskrise, da ist der Themenbereich ein bisschen länger. Bei Uni-Besetzungen haben wir mehr Themen. Ich würde sagen, das Konkreteste ist diskriminierende Strukturen an Hochschulen abschaffen und Hochschulen für alle schaffen.
GW: Was würde es für konkrete Wirkungen in Österreich denn geben?
Helene: Also man merkt es ja jetzt schon eigentlich. Der Sommer war so heiß wie noch nie. Ich glaube, der Oktober war der wärmste Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Auch letzten Winter gab es schon sehr viele extremen Wetterbedingungen. Also gerade in Österreich sagen viele Leute immer: „Ja, Klimakrise betrifft uns ja jetzt noch nicht.“ Aber man muss ja einfach mal das Wetter sich anschauen und man merkt schon, dass es jetzt schon einen Einfluss auf uns hat. Und dann kommt noch dazu, dass diese Wetterbedingungen auch die Landwirtschaft extrem beeinflussen. Es sind extrem viele Ernteausfälle davon betroffen. Also das merkt man jetzt alles schon.
GW: Österreich ist ein eher kleines Land. Was nutzt es dann konkret, wenn wir auf alles verzichten und dann andere Industrieländer wie China oder die USA dann weiterhin verschmutzen?
Helene: Also klar kann jetzt Österreich alleine nicht den globalen Klimawandel stoppen. Aber ich sage mal erstens irgendjemand muss mal anfangen und ich kann nicht von China jetzt die Emissionen stoppen. Wenn Österreich anfängt, dann können wir ein Vorreiter werden, was im Klimaschutz angeht. Und außerdem gerade China, zum Beispiel, produziert ja in Wahrheit für uns. Also die Emissionen von China sind ja so enorm, weil in China einfach für den globalen Westen produziert wird. Also insofern, wenn wir jetzt anfangen, auf gewisse Sachen zu verzichten, dann hat das ja auch einen Einfluss auf eben zum Beispiel China, auf diese ganzen Produktionsländern. Also China produziert extrem viel für uns.
GW: Sollte Österreich oder die EU kontrollieren, welche Güter hier ankommen?
Helene: Ich bin fest davon überzeugt, dass das sinnvoll wäre. Das ist auch eine Forderung von uns, ein Lieferketten-Gesetz jetzt. Das beinhaltet unter anderem, dass in keine, also auf keinem Weg von der Produktion, von einer, um was auch immer es geht, von einer Sache, zum Beispiel Kinderarbeit, involviert sein darf. Also es ist auch eine konkrete Forderung von uns.
GW: Wir sind hier im Hörsaal C1 von der Universität Wien. Warum ausgerechnet auf Unis protestieren?
Helene: Also es gab ja jetzt schon ziemlich lange die Schüler*innen-Streiks, die Fridays for Future-Demonstrationen, die waren am Anfang ziemlich wirkungsvoll und ziemlich cool. Aber es sind mittlerweile einfach komplett ins System eingebaut und die sind ziemlich einfach zu ignorieren mittlerweile. Das ist so immer dieses ja. Die Schülerinnen protestieren wieder, machen die Fenster zu und das war jetzt was, so die nächste Instanz, dass wir jetzt nicht nur protestieren, sondern wir besetzen jetzt. Und deswegen sind wir jetzt hier.
GW: Im Moment finden auch andere Aktionen statt. Also es werden Gemälde dann mit Öl übergossen oder Menschen kleben sich irgendwo fest. Warum ist dieses Thema aktuell im Moment so präsent?
Helene: Also grundsätzlich haben diese anderen Protestformen, die du genannt hast, jetzt nicht konkret was mit uns zu tun. Es sind eben einfach eigene Protestformen. Ich glaube, der Grund, warum jetzt gerade so viel zu dem Thema geschieht, ist einfach, weil die Menschen verzweifelt sind. Wir protestieren jetzt seit Jahren und Jahrzehnten eigentlich für Klimaschutz und natürlich für soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, Bildungsgerechtigkeit, das hängt ja alles zusammen und die Politik hört uns einfach nicht zu. Und die Politik ignoriert das Thema seit Jahrzehnten und deswegen sind die Leute einfach verzweifelt und frustriert und wütend und wollen endlich gehört werden.
GW: Oft werden solche Protestaktionen dann kritisiert. Manche meinen, das ist eine Belästigung und schreckt eher Leute von dem Thema ab. Wie reagierst du darauf?
Helene: Ich kann es grundsätzlich nachvollziehen und ich würde mich jetzt auch nicht irgendwie… Also ich habe wie gesagt eigentlich nicht viel mit den Leuten zu tun, die sich am Gürtel bekleben. Also ich will mich jetzt weder positiv noch negativ äußern. Ich verstehe nur trotzdem den Frust der Leute. Also ich kann nachvollziehen, warum Menschen das uncool finden, wenn Leute in der Früh nicht in die Arbeit können. Ich kann aber auch nachvollziehen, warum Menschen sich am Gürtel festkleben. Einfach weil die Verzweiflung so riesig ist und einfach diese Verzweiflung, gehört zu werden, jetzt dazu führt, dass Menschen eben zu solchen Mitteln greifen.
GW: Sind Unis und Museen nicht die falschen Orte? Wie kommt denn so eine Botschaft an die Politik heran?
Helene: Ich frage dann immer zurück: Was wären denn die richtigen Orte? Also wenn wir nicht hier in der Öffentlichkeit protestieren, wo dann? Klar, es gibt vielleicht irgendwelche anderen Orte, an denen man protestieren könnte. Man könnte jetzt das Parlament besetzen, aber ich glaube, es ist extrem wichtig, auch einfach in der Öffentlichkeit Gesicht zu zeigen in der Öffentlichkeit zu protestieren und eine Uni-Besetzung kann die Politik auch schwer ignorieren. Das ist die Jugend des Landes. Die Politik ist natürlich auch interessiert daran, irgendwie ein gutes Image, gutes Bild, aufs Land zu werfen. Und wenn jetzt die, ich sage mal, die Jugendlichen auf die Barrikaden gehen, dann kann man das recht schwer ignorieren.
GW: Wie lange wollt ihr hier noch bleiben?
Helene: Wir bleiben, bis unsere Forderungen umgesetzt sind.