Eine Frage: Verlassen gehörlose Schüler*innen die Schule mit dem gleichen Wissensstand wie hörende Schüler*innen?
Das ist nicht so einfach zu beantworten, weil man keine gute Vergleichsmöglichkeit hat. Es ist nicht zu vergleichen, wenn ein/e gehörlose/r Schüler*in unter 25 hörenden Schüler*innen ist. Aber ich muss dazusagen, dass ich in meiner Berufslaufbahn schon verschiedene gehörlose Kinder gesehen habe. Einige schaffen eine Lehre, manche schaffen die Matura – das bedeutet, alles ist möglich. Natürlich hat das auch mit Intelligenz zu tun, das ist bei hörenden Kindern ja auch so. Aber die Hauptsache für Weiterentwicklung, für eine positive Entwicklung ist gute, kompetente Unterstützung. Sehr wichtig ist Unterstützung durch Gebärdensprache. Noch einmal muss ich sagen, dass ein echter Vergleich nicht möglich ist. Der Grund ist, dass ich hier nicht so viele gehörlose Kinder habe, und auch nie gleich viel hörende Kinder. Aber ich muss immer wieder sagen, Gebärdensprache ist sehr wichtig!
Jetzt geht es um die Frage, welchen Vorteil der bilinguale Unterricht hat.
Dazu kann ich ganz klar sagen, es ist sehr wichtig und bietet sehr große Vorteile, wenn Kinder in Gebärdensprache unterrichtet werden. Man muss überlegen, falls ein Kind nach Italien kommt und dort in Italienisch unterrichtet wird, versteht es nichts. Das bedeutet, am Anfang geht der gesamte Unterricht verloren, das Kind weiß nicht was es tun soll und das ist ein Problem. Mit der Zeit wird es ein wenig verstehen, weil es italienisch lernt. Aber es wird nie alles umfassend verstehen. Es ist dasselbe, wenn gehörlose Kinder da sind und durchgehend in Lautsprache unterrichtet wird. Einige können vom Mund ablesen, aber es ist so nicht möglich den gesamten Inhalt wirklich zu verstehen. Dann müssen die Kinder beobachten, was die anderen machen, verstehen aber trotzdem das Gesprochene nicht. Außerdem muss man sagen, wenn sich hörende Kinder unterhalten, versteht das gehörlose Kind auch nichts. Wenn es aber die Unterstützung der Gebärdensprache gibt und auch den hörenden Kindern etwas Gebärdensprache beigebracht wird, dann ist es erstens im sozialen Miteinander ein großer Vorteil. Zweitens wird selbstverständlich der Unterricht mit Gebärdensprache viel besser verstanden. Dann ist den Kindern auch völlig klar was sie lernen müssen, was die Lehrer*innen sagen und was sie in dem Moment machen müssen. Es wird alles klar, wenn das Sprachverständnis vorhanden ist. Und was verstehen gehörlose Kinder – natürlich Gebärdensprache!
Hallo! Ich erzähle kurz, wie hier in Kärnten der Unterricht für gehörlose Kinde aussieht. In Kärnten gibt es leider keine Schule, an der viele gehörlose Kinder sind, wo sie sich treffen und austauschen könnten. Hier werden viele Kinder mobil begleitet und unterstützt. Dabei ist klar, dass mobile Begleitung keine durchgehende Unterstützung bedeutet. Das ist meiner Meinung nach, ein Problem. Wenn Kinder nicht durchgehend oder mehr Unterstützung bekommen, ziehen sie sich zurück. In täglichen Situationen in der Klasse geht viel verloren, weil etwas nicht verstanden wird, das Kind schüchtern ist und sich wenig meldet, oder die Unterstützung und Hilfe fehlt. Ich selbst arbeite zum Glück in einer Mittelschule und bin immer da. Da sind drei Kinder, die ich betreue und unterstütze. Eines ist komplett gehörlos, für dieses Kind mache ich durchgehend Dolmetschbegleitung. Das zweite Kind trägt ein Hörgerät und ein CI und ist auch gebärdensprachkompetent. Dieses Kind braucht auch meine Unterstützung, wenn es etwas Gesprochenes nicht versteht, sieht es mich an. Das dritte Kind hat nicht Deutsch als Muttersprache, trägt zwei Hörgeräte, ist nicht gebärdensprachkompetent, lernt es aber langsam.
Im ersten Jahr, durch Corona und Homeschooling, war wenig Zeit, um mehr Gebärdensprache zu lernen. Wenn sie etwas nicht weiß, bin ich immer für sie da und unterstütze sie. Wenn ich es sehe, gehe ich zu ihr und erkläre was nötig ist, verbal und auch mit Gebärden. Wenn für das komplett gehörlose Kind nicht gedolmetscht würde, würde es nichts verstehen, es braucht Unterstützung.
Welche Vorteile gibt es noch bei uns?
Es kommt immer eine gebärdensprachige Stützlehrerin, die selbst gehörlos ist, für ein paar Stunden. Sie hilft, indem sie Dinge in Gebärdensprache – ihrer Muttersprache – zeigt. Das ist ein großer Vorteil, die Kinder sehen, dass gehörlose Personen auch eine gute Ausbildung schaffen können – wow! Es wird Unterstützung in Gebärdensprache von gehörlosen Stützleher*innen gebraucht. Leider stehen natürlich nicht so viele Stunden zur Verfügung. Aber es sollen so viele Kinder wie möglich sehen, dass es gehörlose Personen gibt, das ist wichtig. Die Situation ist jetzt leider so und man muss es besser machen. Ich selbst bin nicht glücklich, aber zufrieden mit der Situation. Aber an der mobilen Betreuung der Kinder kann man schon viel verbessern, wenn man mehr Unterstützung anbietet.
Das wäre mein Wunsch.