„Einen Beruf zu finden, der wirklich gut zu einem passt – das ist nicht einfach! Wichtig ist, dass man Spaß bei der Arbeit hat und dann vergeht die Zeit auch wie im Flug!“
Wer bist du und wie sieht dein Berufsalltag im Moment aus?
Mein Name ist Lydia Fenkart, ich habe unterschiedliche Berufe, mein Hauptberuf ist Lehrerin. Ich arbeite in der HLMW 9 Michelbeuern, dort unterrichte ich das Fach „Österreichische Gebärdensprache“. Aber ich unterrichte auch an der KPH, der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule. Ich bin also hauptsächlich als Lehrerin tätig. Bis jetzt war ich aber auch immer sehr aktiv im Österreichischen Gehörlosenbund, bei der Plattform PLIG (Plattform Inklusion & Gebärdensprache), und noch viele Tätigkeiten mehr. Ich habe auch selbst einen Verlag gegründet, weil es kein Material in Gebärdensprache gibt. Das sind ein paar Dinge, für die ich mich einsetze. Der Bereich Bildung passt sehr gut für mich.
Was wolltest du als Kind werden? Was war dein Traumberuf?
Ich habe vergessen, was ich als Kind werden wollte. Aber meine Mama hat mir einmal erzählt, dass ich Lehrerin werden wollte. Ich kann mich allerdings nicht erinnern. In der Pubertät begann ich dann mich zu engagieren und für Gehörlose gegen Barrieren zu kämpfen. Zu dieser Zeit wollte ich Anwältin werden, ich habe auch das Studium begonnen. Aus unterschiedlichen Gründen, etwa wegen der fehlenden Finanzierung von Dolmetscher*innen, habe ich das Studium allerdings abgebrochen und zu arbeiten begonnen. Später bin ich dann doch Lehrerin geworden.
Welche Barrieren sind während deiner beruflichen Laufbahn aufgetreten und womit bist du zufrieden?
Die wahre Antwort wäre sehr lang. Deswegen halte ich mich kurz. In meinem ersten Studium, im Jahr 2004, gab es noch keine Förderung für Dolmetscher*innen, auch keine Schriftdolmetscher*innen, nichts. Ich saß alleine mit hörenden Mitstudierenden in einem Hörsaal, während vorgetragen wurde. Überall Barrieren, das war schlimm. Aufgrund dessen habe ich abgebrochen und zu arbeiten begonnen. Ich habe dann damals bei Equalizent gearbeitet und dort unterrichtet. Dort habe ich die Trainer-Ausbildung gemacht. Diese Erfahrung war durchwegs positiv und mir standen plötzlich viele Türen offen. Ich habe Erfahrungen gesammelt, Kontakte mit Gehörlosen geknüpft, einfach toll. Eine bilinguale Firma zu erleben war schön. Für mich war es schön zu sehen, dass alle gebärden können. Später habe ich mich dann entschlossen, wieder zu studieren. Ich hatte gehört, dass es GESTU (gehörlos und schwerhörig erfolgreich studieren) gibt. Ab da an lief es gut, ich konnte alles verstehen, es gab Schriftdolmetscher*innen und Gebärdensprachdolmetscher*innen, die man jederzeit hinzuziehen konnte. Das Lernen war ab dann leichter. Nach diesen ganzen Stationen in meinem Leben wurde ich dann Lehrerin. Am Anfang musste ich mich erst orientieren, das System war ganz anders und auch hier gab es viele Barrieren für Gehörlose. Jetzt habe ich das Gefühl, es ist angenehm, auch die Probleme bezüglich dem Thema Dolmetschkosten haben sich gelöst. Dafür wird es jetzt beim ÖGS-Lehrplan spannend. Dort stoßen wir wieder auf Barrieren. Mal schauen wie sich das weiterentwickelt. Hoffentlich positiv.
Warum ist die Arbeit im universitären Bereich für dich besonders spannend?
Warum der Uni-Bereich für mich spannend ist, dafür gibt es zwei Gründe. Erstens unterrichte ich hörende Studierende, die Gebärdensprache lernen möchten. Es gibt auch einen Hochschullehrgang. Ich unterreichte also zukünftige Lehrer*innen. Das ist ein spannender Bereich und es gibt kaum Materialien für ÖGS auf B-Niveau. Hier muss ich selbst etwas vorbereiten und Materialien entwickeln, das ist spannend. Es ist zudem interessant, dass es immer wieder Hörende gibt, die zum ersten Mal mit Gebärdensprache in Kontakt kommen. Das, was für mich ganz normal ist, ist für sie ganz neu. Neben dem Bereich der Lehre, ist für mich auch die Forschung sehr interessant. Im Bereich der universitären Forschung gibt es noch viel zu tun. Es gibt zwar einige Publikationen, diese wurden aber bis jetzt eher nur von Hörenden alleine herausgebracht und nicht mit Gehörlosen gemeinsam. Die Chance dies zu ändern ist nun da, gemeinsam zu forschen und meinen Blickwinkel einzubringen. Die “Deaf Perspective” ist wichtig, und wenn diese eingebracht wird, kann die weitere Entwicklung sehr spannend werden.
Was möchtest du uns noch zum Thema Arbeit und Beruf erzählen?
Es ist wichtig Motivation und Lust für den Bereich aufzubringen, in dem man arbeiten will. Warum? Nach meiner Erfahrung gibt es immer noch Gehörlose, denen es egal ist, was sie arbeiten, Hauptsache sie arbeiten. Ich denke es ist besser in sich zu gehen und sich zu fragen, wofür man wirklich motiviert ist. Ich denke es ist besser in sich zu gehen und sich zu fragen, wofür man wirklich motiviert ist. Es gibt Barrieren, aber man sollte trotzdem nicht aufgeben. Man muss schauen, welche Kontakte einem helfen können, das Netzwerk nutzen und Hilfe holen. Zusammenhalt ist wichtig, egal ob beim Thema Beruf, Bildung oder bei anderen Themen. Wir Gehörlose müssen zusammenhalten, uns gegenseitig unterstützen und helfen zu schauen, wo es Möglichkeiten gibt. Deswegen ist es so wichtig, dass das Netzwerk und die Kontakte erhalten bleiben.
Was ist dein Tipp für junge gehörlose Menschen in Bezug auf die Berufswahl?
Die Berufsauswahl ist niemals einfach. Ich habe immer überlegt, welcher Beruf zu mir passen könnte. Gehörlose Personen denken oft, dass sie einen Beruf suchen müssen, der für Gehörlose passend ist. Man denkt zu viel an die Barrieren, aber die sollte man ausblenden und sich fragen, was für einen selbst passt und was die eigenen Interessen sind. Man sollte in sich hineinhören, um herauszufinden, was man selbst wirklich will. Das ist wichtig. Und wie ich schon vorher erwähnt habe, ist das Netzwerk enorm wichtig, die Kontakte und dass man Unterstützung bekommt. Es gibt Personen, die keine Ahnung haben, wie man mit Gehörlosen umgeht, und dass man da Hilfe holt, das ist ein wichtiger Punkt. Die Arbeit oder der Beruf soll Spaß machen, dann vergeht die Zeit schnell und es läuft automatisch gut. Wenn man keinen Spaß an der Arbeit hat oder überhaupt keine Arbeit hat, stößt man auf Barrieren, das ist frustrierend. Nein, es ist wichtig zu schauen was zu einem selbst passt und wofür man sich engagieren möchte. Wenn man engagiert ist, kommt das irgendwann zurück, zum Beispiel in Form von Erfahrungen. Es gibt viele spannende Lebenswege, darum sollte man nicht aufgeben, sondern einfach weitermachen.