Granzzla ist Musiker und auf einem Ohr taub. In seinen EPs „Songs from the Deaf“ behandelt er Themen wie Schwerhörigkeit oder das Tragen von CIs. Wir haben ihn zum Interview getroffen.
Gebärdenwelt: Du bist Musiker auf einem Ohr Taub. Kannst du uns vielleicht erzählen, wie es
zu der Schwerhörigkeit gekommen ist?
Granzzla: Ja, ich war so ungefähr zwei Jahre alt und habe eine Mittelohrentzündung gehabt. Und infolge von dieser Entzündung
ist es dann passiert, dass ich auf einem Ohr komplett taub geworden bin und auf dem anderen hochgradig schwerhörig.
Da kann ich mich jetzt nicht mehr dran erinnern. Meine Mutter hat mir erzählt, sie weiß auch nicht, ob das direkt durch die Entzündung gekommen ist, oder ob durch die Behandlung
im Nachhinein passiert ist. Aber meine Eltern haben mich dann zum Logopädie Training geschickt und ich habe auch schon mit fünf
oder mit sechs ein Keyboard geschenkt bekommen und dann schon angefangen zum Spielen.
Gebärdenwelt: Du hast 2 EPs – Songs from the deaf. Das Thema Gehörlosigkeit spielt in den Songs eine irrsinnig große Rolle. Hat es da irgendwie Vorbilder gegeben, an die du dich festgehalten hast,
die dich inspiriert haben?
Granzzla: Jaja, Also, die “Songs From the Deaf,” Der Name ist deswegen, weil es gibt von einer meiner Lieblingsbands “Queens of the Stoneage” ein Album,
das heißt “Songs for the deaf” und deswegen ist das so eine Abwandlung davon.
Na also. Es war eigentlich prinzipiell so, dass ich mich eigentlich lange Zeit eher dafür geniert habe, dass ich jetzt schwerhörig bin und Musik mache. Das war eher ein Gefühl, dass ich irgendwie gedacht habe, andere Leute denken vielleicht, ich gehöre da jetzt nicht hinauf diesem Platz. Da gehört jemand hin der gut hört. Es hat irgendwie mit der ganzen Jugendzeit und mit der Schule
halt auch zu tun gehabt.
Es ist dann wo ich dann andere Schwerhörige kennengelernt habe zum Ersten Mal, das war mit circa 25, vor 15 Jahren. Die habe ich kennengelernt
im Rahmen von der “jungen Stimme”. Das ist schon ein österreichischer Schwerhörigen-Verein für Schwerhörige, die hauptsächlich lautsprachlich kommunizieren. Da bin ich ein bisschen
selbstbewusster geworden und dann bin ich auch auf Musiker gestoßen, die auch schwerhörig oder gehörlos sind. Da gibt es zum Beispiel Evelyn Glennie, die eine Schlagzeugerin
und Trommlerin ist. Die ist gehörlos. In Deutschland gibt es eine Person namens Mischa Gohlke. Der ist auch hochgradig schwerhörig und Profi-Gitarrist. Also der macht das wirklich
hauptberuflich.
Da habe ich ein paar Videos gesehen von ihm, Musikvideos und Interviews und was der halt so macht. Und das hat mich dann eigentlich inspiriert.
Da habe ich dann angefangen, mir dann Texte über das Thema zu schreiben und die Lieder.
Gebärdenwelt: Was war so die größte Herausforderung als Musikschaffender für dich?
Granzzla: Wenn Schlagzeug, Bass und Gitarren gespielt haben, hatte ich wirklich Probleme etwas zu verstehen. Z.B ein Gespräch. Dann hat es ungefähr zwei Tage gedauert,
bis ich mich wieder normal unterhalten habe können. Die waren richtig zu die Ohren, weil ich ja sozusagen durch die Hörgeräte auch… Also das verstärkte alles und wenn es laut ist,
ist es ja wie ein normales Ohr die gleiche Belastung, Lärmbelastung, die da einprasselt, was dann diese Härchen dann beschädigt.
Und das hat dann eben dazu geführt, dass ich mich dann eine Zeit lang vom Schlagzeug verabschiedet habe und eigene Lieder geschrieben habe
und versucht mehr im akustischen Bereich unterwegs zu sein, wo ich einfach nicht so laut ist. Lautstärke oder auch wenn es zu leise ist
und das kann natürlich auch sein, manchmal. Schwerhörige oder Gehörlose mögen halt meistens einfach laute Musik.
Und das andere Hauptproblem, was ich jetzt sagen kann, ist, dass jetzt durch die Hörgeräte, ist es so, dass das ja alles, was irgendwie da kommt an Geräuschen und Klängen ja gleichermaßen
irgendwie dann verstärkt wird, auch wenn sie digital sind. Aber es ist jetzt einfach nicht wie ein gesundes Ohr, was das jetzt rausfiltern kann.
Nur ein Beispiel, wenn ich jetzt Gitarre spiele und singe, anfange zu singen, dann höre ich dann die Gitarren nicht mehr, weil sich die Stimme so überlagert und das ist dann auch bei verschiedenen
Instrumenten dann teilweise schwierig. Auch wenn du zum Beispiel die Seite fast gar nix musikalisch wahrnimmt, sondern nur Geräusche auf dem Ohr.
Auch zum Beispiel was ich jetzt nicht machen kann, ist jetzt ein In-Ear-Monitoring tragen, das was halt viele haben, wo man halt dann einen Klick hat,
ein Metronom und das Monitoring von jedem anderen Instrument und jedem anderen Musiker in der Band. Das kann ich eigentlich nur mit so einem
großen Kopfhörer machen. Das dann aber dann mit der Zeit, wenn man das dann eine Stunde aufhat dann auch unangenehm
ist, du fangst dann an zu schwitzen.
Es gibt schon Herausforderungen dieser Art, auch noch ein paar andere. Aber prinzipiell ja. Ich kenns halt einfach nicht anders,
also ist es nicht so, dass ich dann sag, es ist jetzt zu schwierig für mich. Es war eigentlich immer schon so und deswegen ist es voll okay,
weil einfach Musik von diesen Geräuschen, wie ich sie wahrnehme, einfach schön klingt oder einfach am schönsten klingt und prinzipiell immer eine Erleichterung für mich darstellt.
Auch im Alltag.
Gebärdenwelt: Kommen wir vielleicht noch zu einer anderen Herausforderung. Und zwar bist jeweils diskriminiert worden
als schwerhörige Musiker? Hast du irgendwie das Gefühl gehabt, da legt mir jetzt wer Steine in den Weg?
Granzzla: Nein, also wenn ja, dann war das so in den Anfängen also eher in der Schulzeit noch. Aber da ist das halt klar,
da ist es immer irgendwie da. Da ist immer irgendwie eine Art von Mobbing halt auch deswegen. Nicht wegen der Musik, aber schon so generell mit Hörgeräten.
Hörgeräte sind was für alte Leute oder viele glauben, aber das hängt mit unserer Sprache zusammen, denke ich, dass wenn man schlecht versteht, dass man vielleicht auch weniger
intelligent ist oder halt dumm ist.
Und das ist ja bei uns dieses Wort “verstehen”. Da ist es ja so, dass ich beides ausdrücken kann.
Man kann etwas akustisch verstehen, oder man kann etwas auch intellektuell verstehen. Wenn man sagt ich versteh di ned, dann kann man ja beides meinen.
Und deswegen bin ich zum Beispiel auch auf ein Lied gekommen, auf einen Liedtitel der heißt “I versteh di ned”. Was ja dann auch doppeldeutig sein kann.
Ja, es gab schon mal vereinzelt, eben um auf die Frage zurückzukommen, da jetzt irgendwie komische Bemerkungen mal, aber das würde ich jetzt,
jetzt im Nachhinein, viele Jahre später, als nicht so schlimm abtun. Meistens waren dann schon die Erfahrungen entweder die Rückmeldungen positiv, die finden das gut, oder
es war den Leuten eigentlich egal.
Es hat niemand jetzt irgendwas gesagt, Ich wäre vielleicht jetzt nicht geeignet oder er mag nicht mit mir spielen oder zusammenarbeiten deswegen.
Gebärdenwelt: Du hast eben auch ein Lied geschrieben über Gehörlosigkeit und zwar im Song CI na. Du sprichst dich klar gegen das tragen
eines Cochlea-Implantats aus. Warum?
Granzzla: Es war bei mir nur einfach damals und das war vor circa fünf sechs Jahren, wo das entstanden ist, so dass immer mehr Leute, die ich kenne, die schwerhörig waren und Hörgeräte hatten,
sich ein Ci implantiert haben lassen. Dann habe ich diese Erfahrungsberichte von denen gehört, wie sich das anfühlt oder anhört.
Und ich habe das auch vom Arzt immer wieder nahe gelegt bekommen. Ich soll das auch machen und es war eigentlich von mir mehr eine sehr, sehr persönliche Abneigung. Es geht mehr um die Operation an sich selbst.
Das ist auch in den Text, da geht es um dieses Aufbohren von der Schädeldecke und von dem Knochen. Und wenn man dann ein Implantat drinnen hat, also da ist es mehr um diese Prozedur gegangen. Mittlerweile bin ich jetzt eh schon ein bisschen offener eingestellt, dass ich mir denke okay, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt, dann würde ich mir auch schon ein CI implantieren lassen.
Aber das ist halt in der Musik oder in Texten oder in der Kunst halt irgendwie oft so, dass man hat immer eine Inspiration, eine Idee und denkt sich ich mache etwas draus.Aber das ist natürlich alles nicht so drastisch, wie es vielleicht wirkt.